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Talk im Turm zum Thema Trinkkultur

Alkohol mit Mass

 Was hat die Trinkkultur der antiken Griechen mit jener der heutigen Amazonas-Indianer gemeinsam? Die Ethnologin Maike Powroznik und der Archäologe Martin Bürge sprachen darüber im zehnten «Talk im Turm». Die Gesprächsrunde ist hier als Video zu sehen. Der nächste «Talk im Turm» am 6. Oktober wird dem Thema «Spieglein an der Wand. Was schön ist» gewidmet sein – Anmeldungen sind jetzt möglich.
Stefan Stöcklin
Im «Talk im Turm» diskutierten die Ethnologin Maike Powroznik und der Archäologe Martin Bürge mit den beiden «magazin»-Redaktoren Thomas Gull und Roger Nickl über die Kultur des Trinkens. (Video: UZH, MELS)

2500 Jahre trennen die heutigen Wuyana-Indianer in Französisch-Guyana von den Spartanern im antiken Griechenland. Gemeinsam ist ihnen eine besonderes Form ritualisierten Trinkens, bei dem nicht der Rausch im Vordergrund steht, sondern gesellige Gemeinsamkeit und Wohlbefinden. Diese und andere Parallelen zeigten die Ethnologin Maike Powroznik und der Archäologe Martin Bürge im Podiumsgespräch «Göttlicher Rausch. Von griechischem Wein und Maniokbier» auf, der dem Thema Trinkkultur gewidmet war. Moderatoren deszehnten «Talk im Turm» waren die Redaktoren des UZH-Magazins Thomas Gull und Roger Nickl.

Kontrolliertes Erbrechen

Die Indios des nordöstlichen Amazonasgebiets trinken das selbstgebraute Maniokbier aus Kalebassen mit mehreren Litern Inhalt. Erst wenn das voluminöse Gefäss leer getrunken ist, wird es weiter gereicht. Um sich bei diesen beachtlichen Mengen nicht zu schnell mit Alkohol zu betäuben, wird das Getränk in hohem Bogen wieder ausgespuckt. «Ziel ist nicht der Rausch, sondern die Entgiftung des Körpers», so Maike Powroznik, Kuratorin am Völkerkundemuseum der UZH. Dazu üben bereits die Jugendlichen eine Technik, um den vergorenen Manioksaft möglichst kunstvoll wieder loszuwerden. «Das kontrollierte Erbrechen ist Bestandteil der Trinkkultur», so die Ethnologin.

Balanceakt im Liegen

Eine höchst kultivierte Form des Trinkens pflegten auch die Spartaner an den Symposions. Aus flachen, bis zu 50 Zentimetern messenden Schalen nippten sie den Wein, den sie aus Gefässen in der Mitte der geselligen Versammlung schöpften. «Das Trinken erforderte viel Geschicklichkeit und war ein Balanceakt», erläuterte Martin Bürge, der als Kurator am Archäologischen Institut der UZH arbeitet. Denn die ausschliesslich männlichen Teilnehmer des Symposions genossen den Wein mit Vorliebe im Liegen. Wie den heutigen Indios ging es den antiken Griechen nicht so sehr um das Rauscherlebnis, sondern um stilvolles Trinken und gepflegte Gespräche. Dazu versetzten sie den hochprozentigen Wein mit Wasser.  

Rauschtrinken verpönt

Martin Bürge rekonstruiert die Trinkkultur aus erhalten gebliebenen Scherben der Gefässe und schriftlichen Quellen. Wie er in der Diskussion deutlich machte, sind seine Erkenntnisse aus der Antike auch ein Spiegel unseres heutigen Umgangs mit Alkohol. «Die Kultur des Weingenusses ist auch bei uns stark ritualisiert.» Das reicht vom Öffnen der Flasche über das Anstossen bis zum dezenten Nachschenken. Und damals wie heute war das Rauschtrinken zwar bekannt – aber verpönt. Bei den Spartanern galt das Trinken von konzentriertem Wein ohne Wasserzugabe als barbarisch.