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Rechtsmedizin

Spurensicherung in der Notfallstation

Die Notfallstation ist die erste Anlaufstelle für Kranke, Verletzte, Unfallopfer und – Opfer von Gewalt. Hier werden Gewaltopfer medizinisch gut versorgt. Doch oft fehlt die Zeit für die forensische Spurensicherung. Das Institut für Rechtsmedizin der UZH will dem entgegenwirken und setzt sich für eine Zusatzausbildung der Pflegefachpersonen ein. Kürzlich führte es erstmals einen «Forensic-Nurse-Kurs» durch. 
Marita Fuchs
Einem Verdacht nachgehen: Rechtsmedizinerin Christine Bartsch erteilt Pflegefachpersonen einen Grundkurs in medizinischer Spurensicherung.

Eine etwa 40jährige Frau steht verloren auf dem Trottoir. Sie ist offensichtlich verstört. Die Kleidung abgetragen. Passanten sprechen sie an, doch die Frau reagiert kaum, starrt geradeaus. Willig lässt sie sich zur Notfallstation eines Spitals bringen. Dort stellen die Pflegenden fest, dass sie eine Schnittverletzung am Hals und blaue Flecken am Körper hat und nicht ansprechbar ist, was auf Substanzeinfluss hindeutet. Der neurologische Befund zeigt Verletzungsherde im Gehirn, die weiter analysiert werden müssen, weshalb die Frau auf die Station verlegt wird. Weitere Untersuchungen am nächsten Tag ergeben, dass sie vergewaltigt wurde. Später erzählt sie von einem brutalen Überfall.

Doch inzwischen ist zu viel Zeit verstrichen, um wertvolle rechtsmedizinische Beweismittel, die bei einer Täterüberführung wichtig werden könnten, sicherzustellen. Urin, Blut, Haare oder Körperabstriche müssten sofort nach der Aufnahme ins Spital – und mit dem Einverständnis des Patienten – genommen werden. Auch Fotos und Abmessungen der Blutergüsse können später bei einer Ermittlung ausschlaggebend sein.

Fachgerecht Spuren sichern

Immer wieder haben Pflegefachpersonen im Notfall-Alltag mit Opfern von Gewalt zu tun. In Kinderspitälern ist man mittlerweile sehr hellhörig, sobald Kinder mit Verletzungen kommen, die angeblich durch Stürze oder andere Unfälle verursacht wurden. Erwachsene Opfer von Gewalt werden zwar medizinisch gut versorgt, doch zuweilen wird zu spät erkannt, dass der oder die Kranke aufgrund von Schlägen oder Misshandlungen ins Spital gekommen ist.

«Mediziner und Pflegefachpersonen sind gerade in den Notfallstationen auf schnelle Hilfe ausgerichtet», sagt die Rechtsmedizinerin Christine Bartsch. Es bleibe oft zu wenig Zeit, für aufwendige forensische Untersuchungen. Doch gerade diese «Spurensicherung», kann später bei einem Gerichtsverfahren sehr wichtig werden. Abhilfe könnten speziell geschulte Pflegefachpersonen bieten, die – forensisch geschult – einen entsprechenden Verdacht an die untersuchenden Ärzte weitergeben und Spuren rechtzeitig sichern.

Plädiert für einen neuen Ausbildungsgang zur Forensic Nurse: Michael J. Thali, Direktor des Instituts für Rechtmedizin. (Dritter von links).

Ausbildung zur Forensic Nurse

Was in den USA und in vielen europäischen Ländern bereits unter der Berufsbezeichnung «Forensic Nurse» etabliert ist, ist in der Schweiz neu. Zwar erhalten die Pflegefachpersonen während ihrer Ausbildung in der Schweiz einen Einblick in die Arbeit der Forensiker, doch gehe sie nicht tief genug, meint Christine Bartsch, Fachärztin für Rechtsmedizin an der UZH. Sie erteilt am Universitätsspital Zürich im Rahmen eines Moduls der Höheren Fachschule für Intensiv-, Notfall- und Anästhesiepflege, Zürich (Z-INA) einen 45-minütigen Kurs zur ärztlichen Untersuchung nach Sexualdelikten. Dabei vermittelt sie, was Pflegende im Umgang mit Opfern beachten müssen, wenn sie fachgerecht Spuren sichern wollen. Das Feedback der Kursteilnehmer ist immer gleich: Die eine Stunde sei viel zu wenig.

Plädoyer für eine zertifizierte Ausbildung

Dem Interesse an einer vertieften forensischen Ausbildung für Pflegende haben Christine Bartsch und der Direktor des Instituts für Rechtmedizin Michael J. Thali nun entsprochen und einen «Forensic-Nurse-Kurs» in der Schweiz durchgeführt, der im Nu ausgebucht war. Die Teilnehmenden arbeiten in Notfallstationen von grossen Kliniken. Im Kurs erhielten sie einen Einblick in die klinisch-rechtsmedizinische Untersuchung von Personen nach tätlichen Auseinandersetzungen sowie in die Polizeiarbeit. Auch die rechtliche Seite wurde kurz angesprochen, so die wichtigsten gesetzlichen Grundlagen hinsichtlich Melderecht, Gewaltschutzgesetz oder Opferschutz. Häufig hätten die Pflegenden einen Verdacht, seien jedoch unsicher, ob und wie sie ihn am besten melden sollten, sagt Bartsch.

Der eintägige Kurs gebe zwar einen Einblick in die Arbeit der klinischen Rechtsmedizin, doch für eine berufliche Zusatzqualifikation im Sinne einer Ausbildung zur Forensic Nurse sollte auch in der Schweiz eine Zertifizierung geschaffen werden, schlägt Bartsch vor. Das Interesse seitens der Pflegefachpersonen jedenfalls sei gross.

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