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Fachtagung zur Grünen Gentechnik

Wandel der Argumente

Kann es sich die Schweiz leisten, auf Gentechnologie in der Landwirtschaft zu verzichten? Darüber diskutieren am 6. September Vertreter aus Wissenschaft und Landwirtschaft. UZH-Pflanzenbiologe Ueli Grossniklaus gehört zu den Organisatoren der 6. Fachtagung zur Grünen Gentechnologie. Im Interview äussert er sich zu vielversprechenden neuen Pflanzensorten und einer öffentlichen Debatte im Wandel.
Adrian Ritter

«Der Nutzen der Grünen Gentechnik könnte sich schon bald deutlicher zeigen – etwa aufgrund klimatischer Veränderungen»: UZH-Pflanzenbiologe Ueli Grossniklaus.

UZH News: Ueli Grossniklaus, welche Erkenntnisse kann die Wissenschaft in die Diskussion um die «Grüne Gentechnologie», also Gentechnologie im Bereich der Pflanzen, einbringen?

Grossniklaus: Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern verzichtet die Schweiz bisher auf die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen in der Landwirtschaft. Wir Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler sind uns aber weitgehend einig, dass sich aus einer solchen Nutzung auch in der Schweiz Vorteile ergeben würden. Insbesondere bei Kartoffeln, Äpfeln und Zuckerrüben könnten gentechnisch veränderte Sorten einen Beitrag zu einer nachhaltigen, umweltschonenden Landwirtschaft leisten.

Inwiefern?

Grossniklaus: Indem Sorten angebaut werden, die resistent sind gegen gewisse Krankheiten. So liesse sich der Einsatz von chemischen Spitzmitteln massiv reduzieren – bei Kartoffeln beispielsweise um rund die Hälfte. Das wäre ökologisch sehr sinnvoll. Auch der Ertrag liesse sich mit gentechnisch veränderten Sorten steigern, was insbesondere für die globale Ernährungssicherheit von grosser Bedeutung ist.

Gemäss der UNO-Ernährungsorganisation FAO muss der landwirtschaftliche Ertrag in den nächsten 20 bis 30 Jahren verdoppelt werden, um mit der wachsenden Weltbevölkerung und den sich verändernden Ernährungsgewohnheiten Schritt zu halten. 

Bergen gentechnisch veränderte Sorten auch Risiken?

Grossniklaus: Das Nationale Forschungsprogramm 59, kurz NFP 59, hat gezeigt, dass gentechnisch veränderte im Vergleich zu konventionell gezüchteten Pflanzen keine zusätzlichen Risiken für Mensch, Tier und Umwelt bergen. Entsprechend enttäuscht waren viele Wissenschaftler, dass National- und Ständerat die Resultate des Forschungsprogramms nicht abgewartet, sondern kurz zuvor das Moratorium zur Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen bis 2017 verlängert haben.

Für die Zeit danach hat der Bundesrat gesetzgeberische Massnahmen in die Vernehmlassung geschickt, die im Herbst im Parlament diskutiert werden sollen. Sie sehen die Möglichkeit des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen vor und regeln die Koexistenz, also das Nebeneinander von konventionellen und gentechnisch veränderten Pflanzen im Anbau. Was halten Sie davon?

Grossniklaus: Ich begrüsse eine klare Koexistenzregelung, auch die Akademien der Wissenschaften Schweiz haben sich in diesem Sinne ausgesprochen. Die Schweiz sollte sich dem Anbau gentechnisch veränderter Lebensmittel in Zukunft nicht verschliessen. Es ist wünschenswert, dass Landwirte wie auch Konsumentinnen und Konsumenten die Wahl haben. Sinnvoll wäre auch, gentechnisch veränderte Pflanzen im biologischen Landbau zu verwenden.

Wie schätzen sie die Stimmung in der Gesellschaft gegenüber der Grünen Gentechnologie heute ein?

Grossniklaus: Wenn ich Gymnasiumsklassen besuche, scheint mir, dass ein gewisser Wandel stattfindet. Zwar herrscht im Vergleich etwa mit den USA in der Schweiz und Europa immer noch eine skeptische oder negative Stimmung gegenüber der Grünen Gentechnik vor. Aber die Grüne Gentechnologie wird heute kaum noch als gefährlich für die Gesundheit bezeichnet. Dies erstaunt mich auch nicht, denn in den USA, Argentinien und anderen Ländern werden gentechnisch veränderte Lebensmittel seit über 15 Jahren im grossen Stil konsumiert. Bisher ist noch nie jemand nachweislich an solchen Produkten erkrankt.

Bisweilen ist als Argument zu hören, gentechnisch veränderte Pflanzen würden ihre Resistenz gegenüber Krankheiten wieder verlieren und hätten daher keinen nachhaltigen Nutzen. Ist das korrekt?

Grossniklaus: Darin unterscheiden sich gentechnisch veränderte Pflanzen nicht von konventionell gezüchteten. Praktisch jede Resistenz wird mit der Zeit durchbrochen, das lässt sich nicht ändern. Es ist eine Frage der Zeit, bis gemäss den Kräften der Evolution gewisse Organismen wieder einen Weg finden, eine Pflanze anzugreifen. Mit Hilfe der Gentechnologie können wir aber schneller darauf reagieren und die Pflanze durch andere Resistenzgene davor schützen.

Mittels Gentechnologie ist es auch einfacher als durch klassische Züchtung, mehrere Resistenzgene gegen eine Krankheit ins Ergbut einer Pflanze einzubringen und dadurch eine nachhaltigere Resistenz zu erreichen.

Wichtig ist, die Eigenschaften von anzubauenden Pflanzen grundsätzlich kritisch zu beurteilen – unabhängig davon, ob ihre Eigenschaften durch Gentechnik oder konventionelle Züchtung eingebracht wurden.

Das Hauptargument der Gegner lautet heute, es brauche keine Grüne Gentechnologie und somit auch keine Koexistenzregelung. Die Konsumenten wollten gar keine gentechnisch veränderten Lebensmittel.

Grossniklaus: Ein Forschungsprojekt im Rahmen des NFP 59 hat etwas anderes gezeigt. Dabei wurde in einem Versuch Konsumenten parallel Maisbrot aus konventionell angebautem, biologisch produziertem und gentechnisch verändertem Mais zum Kauf angeboten. Knapp ein Viertel der Konsumentinnen und Konsumenten kauften bewusst ein Brot aus gentechnisch verändertem Maismehl. Noch wichtiger: Die Mehrheit der befragten Konsumenten sprach sich klar für die Wahlfreiheit aus.

Die Bauern zeigen bisher wenig Interesse, gentechnisch veränderte Lebensmittel anzubauen.

Grossniklaus: Das stimmt grundsätzlich und hat meines Erachtens damit zu tun, dass der Nutzen nicht unmittelbar sichtbar ist. Ich habe allerdings auch mit Bauern gesprochen, die sofort bereit wären, gentechnisch veränderte Produkte anzubauen, zum Beispiel gegen Feuerbrand resistente Apfelsorten oder gegen Kraut- und Knollenfäule resistente Kartoffeln.

Im Vergleich zur Grünen Gentechnik scheint die Gentechnologie in der Medizin  – die so genannte Rote Gentechnik – deutlich weniger umstritten zu sein.

Grossniklaus: Ja, das hat meines Erachtens damit zu tun, dass der Nutzen der Roten Gentechnik in Form neuer Therapien oder besserer Diagnostik für die eigene Gesundheit klar sichtbar ist. Dieser Nutzen der Grünen Gentechnologie war bisher zumindest in der Schweiz nicht so direkt sichtbar – wir haben ja genug zu essen und unsere Landwirtschaftspolitik räumt dem umweltschonenden Anbau einen hohen Stellenwert ein. Aber gerade in Bezug auf eine umweltverträgliche Landwirtschaft könnten gentechnisch veränderte Pflanzen wie bereits erwähnt einen Beitrag leisten.

Sie haben die USA und Argentinien erwähnt, wo seit Jahren gentechnisch veränderte Lebensmittel angebaut werden. Sie sehen keinerlei negative Auswirkungen davon?

Grossniklaus: Es gibt sicher Aspekte, die durch die Grüne Gentechnik verschärft werden, auch wenn sie bereits vorher bestanden. So hat zum Beispiel der Boom im Anbau von gentechnisch veränderten Sojabohnen in Argentinien die Intensivierung der Landwirtschaft beschleunigt und zu einer enormen Abhängigkeit der argentinischen Wirtschaft von diesem einen Produkt geführt.

Auch sind gentechnologisch veränderte Pflanzen durch den Gesetzgeber stark reguliert. Das macht die Einführung solcher Sorten extrem teuer, so dass ihre Entwicklung nur für Grossunternehmen erschwinglich ist. Die bestehenden Regelungen verstärken somit die bereits bestehende Monopolisierung unter Agrofirmen, wo einige wenige Unternehmen den Markt dominieren und die Bauern zunehmend von ihnen abhängig werden. Das ist ein Problem, das politisch angegangen werden müsste.

Können sich die Bauern dem Trend der Monopolisierung überhaupt noch entziehen?

Grossniklaus: Es ist ihnen natürlich freigestellt, auf gentechnisch veränderte Pflanzen zu verzichten. Aber deren Vorteile – höhere Erträge, bodenschonender Anbau, weniger Pflanzenschutzmittel – sind für die Bauern so gewichtig, dass zum Beispiel innerhalb von nur drei Jahren der Anteil an gentechnisch veränderten Zuckerrüben in den USA von 0 auf 95 Prozent gestiegen ist.

Der Bundesrat will in der Schweiz nicht nur den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen erlauben, sondern auch die Verfahren zur Bewilligung von wissenschaftlichen Freisetzungsversuchen erleichtern. Wie wichtig ist das für die Schweizer Hochschulen?

Grossniklaus: Wir würden es sehr begrüssen, wenn in Zukunft Freisetzungsversuche nicht mehr mit einem derart grossen administrativen Aufwand bei der Gesuchseingabe verbunden wären. Freisetzungsversuche waren bisher schon möglich, wurden aufgrund des Aufwandes aber kaum gemacht. Es ist viel einfacher, einen Forscherkollegen im Ausland zu bitten, den Versuch dort zu machen.

Der Bund hat nun eine sogenannte ’protected site’ eingerichtet, die hohe Sicherheitstandards erfüllt, aber auch Schutz vor Vandalismus bietet. Es wäre sinnvoll, wenn für Versuche in dieser ’protected site’ einfache Bewilligungsverfahren zum Zuge kämen, damit auch in der Schweiz vermehrt solche Forschung betrieben werden kann.

Warum sind Freisetzungsversuche auch in der Schweiz wichtig?

Grossniklaus: Erst im Freiland zeigen sich die entscheidenden Vor- und Nachteile von gentechnisch veränderten Pflanzen für die landwirtschaftliche Nutzung. Es gibt dabei spezifisch schweizerische Fragestellungen, beispielsweise mit lokal bevorzugten Obst- und Kartoffelsorten. Es existieren vielversprechende Pflanzensorten, die beim NFP59 noch nicht zur Verfügung standen und erforscht werden sollten.

Zudem sollte auch die Forschung in der Schweiz einen Beitrag leisten zur Ernährungssicherheit und der weltweiten Suche nach Sorten, die resistenter sind etwa gegen Trockenheit, versalzene Böden oder Überflutungen – also gegen die Auswirkungen des Klimawandels. Der Nutzen der Grünen Gentechnik könnte sich nämlich schon bald deutlicher zeigen – etwa, wenn aufgrund klimatischer Veränderungen der Schädlingsdruck in der Landwirtschaft steigt und fruchtbarer Boden knapp wird.

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