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Herzchirurgie

Schlag auf Schlag

Wenn ein neues Herz die einzige Chance ist und Spenderherzen rar sind, kommen Kunstherzen zum Einsatz. UZH Professor Volkmar Falk ist Herzchirurg am Universitätsspital, er erläuterte an einer Veranstaltung des Zentrums für integrative Humanphysiologie (ZIHP) die Einsatzpraktiken, den Tragekomfort und die Betriebssicherheit von Kunstherzen. 
Marita Fuchs
Ein Kunstherz ist in der Regel kein Ersatzherz, es unterstützt das kranke Herz bei seiner Arbeit.

Christoph Schmid hatte Glück im Unglück. Der 38-jährige Physiotherapeut, der für das IKRK in Afrika im Einsatz ist, macht 2009 für zwei Wochen mit seiner Lebensgefährtin Skiferien in der Schweiz, als plötzlich sein Herz schmerzt. Der Hausarzt schickt ihn ins Universitätsspital, wo festgestellt wird, dass das Herz des jungen Mannes viel zu gross ist. Diagnose: Herzinsuffizienz, eine ausgeprägte Pumpschwäche. Das Herz schafft es nicht mehr, den Körper ausreichend mit Blut und Sauerstoff zu versorgen.

Es gibt viele Ursachen für eine solche Herzschwäche. Manchmal entsteht sie, wie bei Schmid, aufgrund einer schleichenden Entzündung. Schmid muss Anfang 2010 auf die Intensivstation, und schnell ist klar, dass er ein neues Herz braucht. Spenderherzen gibt es nur wenige, die Wartelisten sind lang. Das Team von Volkmar Falk, UZH-Professor für Herzchirurgie, setzt Schmid ein Kunstherz ein. Damit kann sein Patient erst einmal überleben. «Ich war gerettet. Aber es war gewöhnungsbedürftig», erzählte Schmid.

«Dieser Apparat war jetzt mein Herz»

Christoph Schmid war neben Volkmar Falk Co-Referent an der Veranstaltung «Künstliches Herz statt Spenderherz: Die Herzchirurgie von morgen?», die im Rahmen der Veranstaltungsreihe des ZIHP stattfand. Schmid berichtete aus der Sicht des Betroffenen über seine Erfahrung mit dem künstlichen Herzen: «Der grosse Apparat neben mir brummte; nicht laut, aber permanent. Tick und tack, tick und tack. Dieser Apparat war jetzt mein Herz.»

Heute werden zur Überbrückung der Wartezeit auf ein Spenderherz Kunstherzen implantiert, wenn Patienten so schwer krank sind, dass sie sonst die Herztransplantation nicht mehr erleben würden. So auch am Universitätsspital, an dem jährlich etwa 7 bis 9 Herzoperationen mit Kunstherzen durchgeführt und 10 bis 14 Spenderherzen eingesetzt werden.

Volkmar Falk, UZH-Professor für Herzchirurgie: «Bei einigen Patienten können Kunstherzen sogar eine Alternative zur Transplantation bieten.»

Kunstherz für die Wartezeit

«Man geht in der Herzchirurgie dazu über, nicht nur sehr schwer herzkranken Patienten ein Kunstherz einzupflanzen, sondern schon früher auf dieses Verfahren zuzugreifen, nämlich dann, wenn das eigene Herz zwar krank, aber noch nicht schwer krank ist», sagte Falk. Die künstlichen Herzen sind in der Regel keine Ersatzherzen, sondern unterstützen das eigene angeschlagene Organ.

Sie kommen zum Einsatz, wenn ein kardiogener Schock vorliegt, eine chronische Herzschwäche oder eine akute Herzmuskelentzündung. Herzinsuffizienz ist keine Seltenheit: 15 Millionen Menschen sind in Europa davon betroffen. Bis 2030 rechnen Epidemiologen mit einer Zunahme von 25 Prozent.

«Die Zukunft der Technologie der Herzunterstützungssysteme liegt sicherlich in der Konstruktion vollimplantierbarer Systeme, die die Patienten über mehrere Jahre unterstützen können», sagte Falk.

Die Lebensqualität vieler Patienten, die häufig –nach jahrelanger schwerer körperlicher Einschränkung – durch das Kunstherz erstmals wieder zu Kräften kommen, wird damit erheblich verbessert. In dieser physischen und psychischen stabilen Verfassung sind die Aussichten auf eine erfolgreiche Organtransplantation wesentlich besser, als bei einer sofortigen Transplantation ohne Überbrückungssystem.

Alternative zur Transplantation

Dazu trägt natürlich auch der Tragekomfort und die Betriebssicherheit des Kunstherzens bei, das aus einer Pumpe, den Energiespeichern, den Steuer-, Überwachungs- und den Netzgeräten besteht. Ursprünglich wurden künstliche Herzen zur Funktionsverstärkung der linken oder beider Herzkammern als Überbrückungsmassnahme bis zur Herztransplantation angewandt.

Das Einsatzspektrum änderte sich mit der technischen Verbesserung und Miniaturisierung bis hin zu einer gezielten Langzeit- und Dauernutzung. Damit besteht in geeigneten Fällen sogar eine Alternative zur Transplantation. Es gibt sehr viele verschiedene Modelle von Kunstherzen, und es liegt im Ermessen des behandelnden Herzchirurgen, das geeignete Kunstherz individuell auf seine Patienten abzustimmen und auszuwählen.

Klein und leicht: Neues Modell eines Kunstherzens.

Hightech für den Brustkorb

Das neueste Modell hat Magnete, die einen innenliegenden Rotor drehen, einen sogenannten Impeller. Es ist besonders klein und leicht und wird in die Herzspitze der linken Herzkammer eingesetzt. Hier leitet es das aus der Lunge kommende Blut um das Herz herum in die Körperschlagader. Die mechanische Abnutzung ist gering, deshalb vermuten die Chirurgen eine Lebensdauer von nahezu zehn Jahren.

Heute sind diese Systeme kaum noch aus der medizinischen Praxis wegzudenken. Grund dafür ist, dass sie leistungsfähiger, sicherer und komfortabler geworden sind, sagte Falk. Trotzdem müsse weiter an neuen Modellen gearbeitet werden, wie es in seiner Forschungsgruppe an der Universität Zürich zusammen mit der ETH auch geschehe.

Kehrseite von Kunstherzen

Denn es gibt nach wie vor die Kehrseite: Einem Menschen mit Kunstherz kann vieles zum Verhängnis werden, zum Beispiel ein Gerinnsel, eine Entzündung oder eine banale Infektion. Auch muss man bedenken, dass Kunstherzen Maschinen sind, die sich abnutzen, auch dies zum Schaden des Patienten. Nur zwei Drittel der Patienten mit Kunstherz schaffen es überhaupt auf den OP-Tisch für eine Herztransplantation. Die anderen sterben vorher, während sie auf das Herz warten.

Christoph Schmid konnte sich jedoch schon nach kurzer Zeit von seinem Kunstherz verabschieden. Er befand sich noch in der Rehabilitationsklinik, als ein Anruf von «Swisstransplant» kommt:  «Wir haben ein Herz für sie, die Ambulanz ist unterwegs.» Seitdem lebt Schmid mit einem Spenderherzen. Der Familie des Spenders ist er unendlich dankbar.