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Medizinstudium und Pflegeausbildung

Rollenspiel am Krankenbett

Die Zusammenarbeit von Ärztinnen, Ärzten und Pflegefachpersonen will gelernt sein. Ein neues Modul trainiert die interprofessionelle Kommunikation. Auch Schauspieler wirken dabei mit. 
Gabriele Schroeder
Ärzte und Pflegefachpersonen beraten gemeinsam, wie sie eine schlechte Nachricht kommunizieren wollen.

Frau Flury ist 45 Jahre alt und hat vor zehn Jahren die Diagnose Brustkrebs erhalten. Sie hat gelernt mit ihrer Krankheit zu leben. In letzter Zeit ist sie oft müde, vermag kaum noch aufzustehen. Da sie zudem seit einer Woche Mühe beim Wasserlösen hat, weist sie der Hausarzt ins Spital ein. Nach eingehenden Untersuchungen verdichtet sich die Vermutung, dass Frau Flury nur noch wenige Tage zu leben hat.

Nun gilt es, die Patientin über die lebensbedrohende Situation aufzuklären und sie zu unterstützen und zu begleiten. Keine leichte, aber eine wichtige Aufgabe. Wie dabei vorzugehen ist, das lernen Medizinstudierende der Universität Zürich und Pflegestudierende der Höheren Fachschule (HF) Careum in dem neu geschaffenen Modul «Interprofessionelle Kommunikationsprozesse – schwierige Gesprächssituationen mit Patientinnen und Patienten», das im Sommer 2011 zum ersten Mal durchgeführt wurde. Ein besonderes Gewicht wird auf die Zusammenarbeit zwischen Medizinern und Pflegefachpersonen gelegt.

Ein Pionierprojekt

Patientinnen und Patienten über eine lebensbedrohende Krankheit beziehungsweise über die lebenseinschneidende Konsequenzen eines Unfalls aufzuklären bedeutet, ihnen eine Botschaft zu übermitteln, die für sie in der Regel schwer zu bewältigen ist. Ärztinnen, Ärzte und Pflegefachpersonen können bei dieser Bewältigung helfen. Wie gut dies gelingt, hängt nicht zuletzt davon ab, wie sie ihr Kommunikationsverhalten aufeinander abstimmen. Studien haben schon mehrfach gezeigt, dass eine enge Kooperation von Ärzten und Pflegefachpersonen für die Gesamtsituation des Patienten entscheidend ist. Beide Seiten sollten sich deshalb betreffend Timing und Inhalt der Gespräche untereinander absprechen.

Bisher konnten Medizin- und Pflegestudierende in der theoretischen Ausbildung nicht systematisch lernen, wie man sich in einer solch komplexen Situation richtig verhält. Im «normalen» Berufsalltag finden sich derzeit kaum Konzepte, die aufzeigen, wie die Übermittlung von schlechten Nachrichten durch Ärzte, Ärztinnen und Pflegefachpersonen gemeinsam gestaltet werden soll.

Das neue Modul «Interprofessionelle Kommunikationsprozesse – schwierige Gesprächssituationen mit Patientinnen und Patienten» wurde von 2010 bis 2011 gemeinsam von Careum Forschung und Entwicklung, der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich und dem Institut für Biomedizinische Ethik sowie dem Careum Bildungszentrum entwickelt. Es leistet Pionierarbeit.

Das Modul ermöglicht Pflegefachpersonen (HF) sowie Ärztinnen und Ärzten eine theoretische und praktische Auseinandersetzung, wie sie gemeinsam eine lebenseinschneidende Nachricht schonend und einfühlsam unter Berücksichtigung der ethischen Aspekte überbringen können. Ziel ist, durch das interprofessionelle Lernen bereits auf Ausbildungsebene eine Sensibilisierung für das gemeinsame Abstimmen von Arbeitsprozessen im beruflichen Alltag zu bewirken. Der Standort Zürich ist dafür prädestiniert, weil sich Medizin- und Pflegeausbildung an einem gemeinsamen Standort – auf dem Careum Campus – befinden.

Nicht mit der Tür ins Haus fallen

Am Pilotprojekt im Sommer 2011 nahmen acht Studierende HF Pflege aus dem 3. Bildungsjahr und zehn Studierende Medizin ab dem 8. Semester teil. Sie wurden in fünf interprofessionellen Lerngruppen eingeteilt. Lehrpersonen aus beiden Berufsgruppen beobachteten die Umsetzung für ein anschliessendes Feedback. Jeder Gruppe wurde eine Simulationspatientin zur Verfügung gestellt, die vor der Umsetzung anhand der Rollenbeschreibung gebrieft wurde.

Die Studierenden starteten mit einem Vorgespräch im Stationszimmer. Hier wurde die Situation von Simulationspatientin Frau Flury besprochen und vereinbart, wer das Gespräch eröffnen sollte. Anschliessend begaben sich alle ins Patientenzimmer, um Frau Flury, die von einer Schauspielerin gespielt wurde, die schlechte Nachricht zu überbringen. Frau Flury, lag müde, aber wach im Bett.

Die Studierenden bemühten sich, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern auf Frau Flury einzugehen und zunächst herauszufinden, wie viel sie selbst über ihren akuten Gesundheitszustand schon wusste und in welcher emotionalen Verfassung sie war. Das Bemühen Frau Flury die Nachricht schonend und einfühlsam mitzuteilen war erkennbar. Beide Berufsgruppen ergänzten und unterstützten sich gegenseitig.

Frau Flury war sichtlich betroffen von der schlimmen Nachricht und wollte diese erst einmal selbst verarbeiten. Vor dem Verlassen des Zimmers versicherte die Pflegefachperson Frau Flury, dass sie wieder zu ihr schauen würde. Die beiden Studierenden schlossen die Situation mit einem Nachgespräch ab.

Nach einer Pause wechselten die Studierenden ihre Positionen. Die Fallsituation blieb die gleiche wurde aber von einer anderen Simulationspatientin gespielt, die anders auf die Mitteilungen reagierte. So entstand bei gleicher Diagnose eine komplett andere Situation.

Evaluation der Pilotdurchführung

Die Evaluation des Moduls fiel überaus positiv aus. Die mündlichen und schriftlichen Rückmeldungen aller beteiligten Personen zeigen deutlich, dass interprofessionelle Lernangebote das Verständnis und die Wertschätzung der verschiedenen Berufsgruppen untereinander fördern, aber auch, dass Prinzipien einer effektiven Zusammenarbeit gelernt werden können.  

Um den Anforderungen des Gesundheitswesens der Zukunft gerecht werden zu können, muss das gemeinsame Lernen, Lehren und Arbeiten weiter ausgebaut werden und die Erkenntnis wachsen, dass die Umsetzung von Interprofessionalität eine gemeinsame Aufgabe der Bildungsinstitutionen und der Institutionen der beruflichen Praxis ist. Das Modul wird das nächste Mal 2013 durchgeführt.

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