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ERC Advanced Grants

Geldsegen aus Brüssel

Drei Spitzenforscher der Universität Zürich werden mit dem höchsten Forschungspreis der EU ausgezeichnet. Ernst Fehr, Josef Jiricny und Martin Schwab erhalten je einen «ERC Advanced Grant». Er ermöglicht ihnen fünfjährige Forschungsarbeiten zu menschlichem Entscheidungsverhalten, DNA-Reparatur und nachwachsenden Nervenzellen.
Adrian Ritter und Brigitte Blöchlinger
Professor Ernst Fehr: «Nur wer die Präferenzen der Menschen kennt, kann deren Verhalten vorhersagen.»

Die «Advanced Grants» des Europäischen Forschungsrates (European Research Council/ERC) werden an arrivierte europäische Forscher vergeben, die bereits herausragende Leistungen erbracht haben. Soeben hat der ERC 294 Advanced Grants 2011 vergeben. Zehn davon gehen an den Hochschulstandort Zürich – drei an die Universität Zürich, sieben an die ETH Zürich. UZH News stellt die drei Projekte an der Universität Zürich vor:

Was Menschen wollen

Ernst Fehr, Professor für Mikroökonomik und experimentelle Wirtschaftsforschung, geht in seinem Projekt der Frage nach, wie Menschen Präferenzen setzen. Wie verhalten wir uns, wenn wir die Wahl haben: Biologisches oder konventionelles Gemüse kaufen? Mit dem öffentlichen Verkehrsmittel oder per Auto zur Arbeit fahren? «Nur wer die Präferenzen der Menschen kennt, kann deren Verhalten vorhersagen», so Fehr. Kein Wunder, sind Annahmen zu persönlichen Präferenzen zentraler Bestandteil fast aller ökonomischer Modelle.

Allerdings ist nur sehr wenig bekannt über die sozialen, ökonomischen und biologischen Faktoren, welche persönliche Präferenzen bestimmen. Zudem ging die bisherige Forschung meist davon aus, dass Präferenzen im Laufe der Zeit und in unterschiedlichen Situationen konstant bleiben. Empirisch belegt ist dies allerdings nicht. 

Von Umfrage bis MRI

Dies wollen Fehr und sein Team am Institut für Volkswirtschaftslehre dank dem mit 2,5 Millionen Euro dotierten ERC-Grant jetzt ändern. Geplant ist unter anderem eine repräsentative Befragung der Schweizer Bevölkerung. Dabei werden zu drei verschiedenen Zeitpunkten dieselben Menschen befragt, um die Konstanz der Präferenzen im Laufe der Zeit zu erfassen. Dies wird zeigen, inwiefern Präferenzen von Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Ausbildung zusammenhängen.

Im Rahmen von Experimenten soll zudem mit bildgebenden und genetischen Methoden untersucht werden, inwiefern Muster im Erbgut und der Hirnstruktur im Zusammenhang stehen mit den Präferenzen von Menschen. Die neuen Erkenntnisse sollen die Entwicklung neuer theoretischer Modelle anregen, um menschliches Verhalten besser zu verstehen und vorherzusagen.

Professor Josef Jiricny: Er untersucht mit seinem Team Proteine, die sowohl DNA-Schäden reparieren wie auch Mutationen erzeugen.

Mutationen reparieren – und erzeugen

Professor Josef Jiricny ist Direktor des Instituts für Molekulare Krebsforschung (IMCR) an der UZH. Er erhält 2,2 Millionen Euro, um die Funktionen von Proteinen im menschlichen Körper näher zu erforschen.

Am IMCR wird insbesondere die Reparatur von DNA-Schäden erforscht. Solche kommen in Lebewesen täglich in grosser Zahl vor – sei es durch äussere Einflüsse wie Sonnenlicht oder beim Kopieren der DNA während der Zellteilung. Dabei kann es vorkommen, dass falsche Aminosäuren in die Proteine eingebaut werden.

Solche Fehler müssen spätestens vor der nächsten Zellteilung korrigiert werden, sonst kann langfristig Krebs entstehen. Spezifische Proteine übernehmen die Reparatur und sichern damit, dass die DNA fehlerfrei an die nächste Zellgeneration weitergegeben wird.

Jiricny und sein Team haben nun herausgefunden, dass dieselben Proteine, welche solche Fehler beheben, auch die gegensätzliche Aufgabe übernehmen: Sie können in bestimmten Genen Mutationen erzeugen. Sie sorgen so dafür, dass die B-Zellen des Immunsystems neuartige Antikörper produzieren und sich der Körper damit gegen Bakterien und Viren verteidigen kann.

Mit dem ERC Grant will Jiricny das Phänomen genauer untersuchen. Er erwartet dabei Erkenntnisse, die auch für die Krebsforschung relevant sind. Wenn die Proteine nämlich bei B-Zellen Mutationen hervorrufen können, ist es möglich, dass sie dies auch anderswo im Erbgut tun – mit möglicherweise gefährlichen Folgen. Der Grant wird es Jiricny erlauben, bis zu seiner Pensionierung im Juli 2016 fünf Stellen zu besetzen.

Professor Martin Schwab: Mechanismen erforschen, wie Nervenfasern nach einer Verletzung nachwachsen.

Wachstumshemmer hemmen

Auch Martin Schwab, Hirnforscher an der Universität Zürich und ETHZ, überzeugte den ERC mit seiner bisherigen Forschung. Schwab untersucht die Mechanismen, wie Nervenzellen nach einer Verletzung oder einem Schlaganfall nachwachsen und verlorene Funktionen in Gehirn und Rückenmark wieder herstellen können. «Für unsere Forschung ist der ERC Advanced Grant sehr wichtig. Wir können damit die exakten Mechanismen erforschen, wie Nervenfasern nach einer Verletzung nachwachsen und neue Schaltkreise gebildet werden», sagt Martin Schwab.

Schwab entdeckte an der Universität Zürich bereits 1988, dass es für die Nervenfasern neben wachstumsfördernden Faktoren auch Wachstumshemmer gibt. Schwab fand den potentesten Wachstumshemmer und nannte ihn Nogo-A. In Kooperation mit dem Pharmakonzern Novartis haben Schwab und sein Team einen Antikörper gegen menschliches Nogo-A entwickelt und damit den Grundstein für einen neuen Therapieansatz bei Querschnittlähmung gelegt.

Neue Therapieoptionen gewinnen

Das europäische Forschungsgeld in der Höhe von 2,5 Millionen Euro soll in den nächsten fünf Jahren dafür verwendet werden, die Wirkungsweise von Nogo-A genauer zu verstehen. «Wir wissen zwar schon einiges über Nogo-A», erklärt Schwab. Zum Beispiel dass Nogo-A mit einem Komplex von Membranproteinen auf wachsenden Nervenfasern interagiert.

«Aber wie genau der Rezeptorkomplex von Nogo-A wirkt, wissen wir erst teilweise», so Schwab. Im geförderten Projekt soll die Zusammensetzung dieses Rezeptorkomplexes untersucht werden. «Aus den molekularen Analysen werden sich hoffentlich neue Möglichkeiten ergeben, die von Nogo-A ausgehende Wachstumshemmung der Nervenfasern zu stoppen», so Schwab.

Martin Schwab wird 2014 emeritiert und verliert damit das Anrecht auf Mitarbeiterlöhne und Betriebsmittel. Der ERC Advanced Grant erlaubt es dem Forscherteam, trotz Pensionierung des Leiters weiterzuarbeiten – mit Schwab als «Senior Professor» und mit der Unterstützung durch das Institut, die Universität und die ETH, welche Laborräume und Infrastruktur zur Verfügung stellen werden.