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Anthropologie

Woher kommt der Hang zur Fettleibigkeit?

Orang-Utans im Norden der indonesischen Insel Borneo haben kleinere Gehirne und stärkere Zähne als ihre Artgenossen auf Sumatra. Grund sind unterschiedliche Lebensbedingungen. Die Anthropologin Maja Greminger untersucht, wie sich die Gene der beiden Tiergruppen voneinander unterscheiden.
Petra Bättig-Frey

Wenn kleine Mädchen davon träumen, einmal Biologin zu werden, so träumen sie sicher von einer Arbeit wie der von Maja Greminger – von der Forschung an Menschenaffen. «Ja, wir sind eine richtige Gruppe von Tierfans, ‹animal huggers›!» lacht die junge Wissenschaftlerin über das Klischee, denn tatsächlich hat sie die letzten Orang-Utans vor gut einem Jahr gesehen. Seither arbeitet sie im Labor und am Computer wie die meisten anderen Biologinnen auch.

Orang-Utan auf Sumatra: Grosses Gehirn dank guten Lebensbedingungen.

Wie sich Hunger auf die Gene auswirkt

Orang-Utans gibt es heute nur noch in Borneo und Sumatra, unter je ganz unterschiedlichen Lebensbedingungen. Während es sich in Sumatra als Orang-Utan dank genügend frischen Früchten ganz gut leben lässt, sind die Lebensbedingungen im Norden von Borneo viel unbeständiger. Die dort lebenden Menschenaffen leiden wegen dem Einfluss von El Niño immer wieder unter Hungerperioden und müssen sich mit weniger hochwertigem Futter, wie Samen oder Rinde, begnügen. Dies hat im Laufe der letzten 400‘000 Jahre deutliche Spuren bei den Tieren hinterlassen.

So haben Orang-Utans im Norden Borneos heute kleinere Gehirne, stärkere Zähne und Kiefer und neigen im Zoo mehr zu Fettleibigkeit als ihre Verwandten aus dem reichen Sumatra. Diese Unterschiede sind Anpassungen an die verschiedenen Lebensbedingungen. Ein grosses Gehirn, zum Beispiel, welches mehr als ein Zehntel unseres täglichen Grundumsatzes an Energie verbraucht, kann sich ein Tier in einem Gebiet mit wiederholten Hungerperioden nicht leisten. Andererseits ist es dort sinnvoll, für harte Zeiten vorzusorgen und möglichst viel Energie in Form von Fett zu speichern.

Maja Greminger, Anthropologin: Mit einem Supercomputer sollen 60 Milliarden Basenpaare analysiert werden.

Eine Überlebensstrategie, welche im Zoo – oder auch bei uns Menschen – nicht mehr vorteilhaft ist. Die genetische Basis der unterschiedlichen Hirngrössen oder des Hangs zu Fettleibigkeit ist noch nicht bekannt. Maja Greminger untersucht deshalb, wie sich die Gene zwischen den beiden Gruppen von Tieren unterscheiden. Damit kann sie direkt in einer wilden Population beobachten, wie sich die natürliche Selektion auf die Gene auswirkt.

Wegweiser im Genom sequenzieren

«Weil das Sequenzieren von ganzen Genomen in den letzten Jahren so grosse Fortschritte gemacht hat, können wir plötzlich Fragen beantworten, die sich Forschende seit Darwin stellen», erklärt die Doktorandin begeistert. Dank diesem rasanten Fortschritt muss sich Maja Greminger bei ihren Experimenten nicht mehr auf einzelne ausgewählte Gene konzentrieren, sondern kann das gesamte Genom untersuchen.

Die Standorte der beiden untersuchten Orang-Utan-Populationen auf den indonesischen Inseln Sumatra und Borneo.

Um einen ersten Überblick zu gewinnen, wird Maja Greminger im Genom von vierzig Orang-Utans jeweils kurze Stücke sequenzieren, welche regelmässig, aber zufällig verteilt sind. Die kurzen Sequenzen bilden eine Art Wegmarkierungen auf dem Genom und zeigen, wo genetische Veränderungen zwischen den Affengruppen in Sumatra und Borneo stattgefunden haben. Dank dem Vergleich mit dem bereits bekannten menschlichen Genom lassen sich erste Rückschlüsse auf die Art der Gene in diesen Regionen gewinnen. Wenn sie dabei auf interessante Gene stösst, wird die Forscherin diese in den beiden Gruppen von Orang-Utans gezielt sequenzieren. «Zum Schluss möchten wir untersuchen, wie sich eine kleine Änderung der Gensequenz auf die Proteinstruktur auswirkt.»

Bürokratie und Supercomputer

Doch dies liegt noch weit weg, denn zuerst werden die Proben sequenziert. Dass dies geklappt hat, ist gar nicht selbstverständlich und war mit grossem Aufwand verbunden. «Für die DNA-Isolation brauche ich Blut- und nicht Kotproben», erklärt Maja Greminger, und diese kann man nicht einfach so abholen. Die Entnahme wird bei diesen geschützten Tieren selten bewilligt, und anschliessend ist es nicht einfach, das Blut aus Südostasien auszuführen.

Doch dank der lange bestehenden Zusammenarbeit mit verschiedenen Auswilderungsstationen, lokalen Forschungsinstitutionen und Behörden ist ihre Gruppe unter Carel van Schaik, Professor für Biologische Anthropologie, eine der wenigen weltweit, die mit Orang-Utan-Blutproben arbeiten kann.

Auch die DNA-Präparation war eine Zitterpartie. Schliesslich wollte die Doktorandin keine der kostbaren Proben durch einen Fehler im Labor verlieren, da damit die ganze Arbeit unmöglich geworden wäre. So wartet Maja Greminger ziemlich erleichtert darauf, die sequenzierten 60 Milliarden Basenpaare am Supercomputer genau zu analysieren. Ihr ist klar, dass sie in dieser unglaublichen Datenmenge nun die Nadel im Heuhaufen suchen muss, aber wenigstens habe sie dazu einen Metalldetektor, lacht sie entspannt.

Welche Unterschiede und welche Gene sie bei der weiteren Arbeit finden wird, ist völlig offen. Aber genau das mache ihre Arbeit spannend. «Solange ich mich erinnern kann, wollte ich Biologie studieren und Forscherin werden. Und jetzt habe ich mein Thema gefunden.»