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Mumienforschung an der Universität Zürich

Mumien helfen heilen

Forscher haben bei ägyptischen Mumien Arteriosklerose entdeckt. Der Fund ist ein Hinweis darauf, dass die Erkrankung kein neues Phänomen ist. Mehr über Mumien erfährt man in der neuen Ausstellung «Mumien: Mensch, Medizin, Magie» an der Universität Zürich Irchel. Mumienforscher Frank Rühli sagt im Interview mit UZH News, was Mumien uns verraten – siehe auch Trailer zu den Ausstellungsvideos.
Interview: Marita Fuchs
Mumienausstellung im Lichthof der Universität Zürich Irchel: Herzstück ist eine grosse, weisse Kapsel, in der sich die Mumien befinden.

Herr Rühli, haben Sie eine Lieblingsmumie?

Jede Mumie ist vom wissenschaftlichen Standpunkt aus wichtig und interessant. Und doch muss ich sagen, dass Tutanchamun mich schon als Kind fasziniert hat. Ich habe mich früh für das alte Ägypten interessiert, habe viel gelesen und Zeitungsausschnitte gesammelt. Ich wusste schon recht viel, als ich mit meinen Eltern nach Ägypten fuhr, und wollte auf der Reise – zum Erstaunen meiner Umgebung – hauptsächlich Tempel anschauen.

Sie haben die neue Mumienausstellung konzipiert und zeigen vier ganz unterschiedliche Exponate. Nach welchen Kriterien haben Sie die Auswahl getroffen?

Wir präsentieren vier Mumien. Jede erzählt eine ganz spezielle Geschichte. Wir wollten in der Ausstellung nicht möglichst viele Mumien zeigen, sondern erklären, wie wir mit ihnen wissenschaftlich arbeiten, und warum wir das tun.

Trailer zu drei Videos, die in der Ausstellung gezeigt werden: zur antiken DNA, zu den iranischen Salzmumien und den Methoden der Evolutionären Medizin.

Eine der Mumien ist die so genannte «Barfüssermumie». Was ist ihre Geschichte?

Bei der Barfüssermumie handelt es sich um eine weibliche Mumie aus dem 16./17. Jahrhundert n. Chr., die sehr gut erhalten ist. Die etwa 45-jährige Frau lag an einem privilegierten Ort – der Barfüsserkirche in Basel – in einer Familiengrabstätte. Die Frau ist wohl auf natürlichem Wege mumifiziert. Dazu trugen vermutlich die konstante Temperatur und die sauerstoffarme Luft in der Gruft bei.

Ihr Gewebe wies bei früheren Untersuchungen hohe Quecksilberwerte auf. Man nahm noch bis vor kurzem an, die Frau hätte an Syphilis gelitten und die Krankheit mit Quecksilber behandelt. Heute weiss man – dank Computertomografie –, dass kein Hinweis auf Syphilis besteht.

Sie sind Mediziner. Was verraten uns die Mumien über die Entwicklung von Krankheiten?

Wir wollen von den Mumien mehr über die Evolution von Krankheiten lernen. Das ist auch das Ziel des dank Drittmitteln neugegründeten interdisziplinären Zentrums für Evolutionäre Medizinan der Universität Zürich. Ein Beispiel sind Infektionskrankheiten. Sie haben sich im Laufe der Jahrhunderte verändert. Erkenntnisse über frühere Formen von Erregern versprechen Hilfe bei der Entwicklung von Medikamenten. Auch die Veränderung des menschlichen Erbguts, des Genoms, ist von allgemeinem Interesse. Unser Genom ändert sich in der stetigen Auseinandersetzung mit der Umwelt. Um diese Dynamik zu erfassen, helfen uns die DNA-Extrakte der Mumien.

Mumienspezialist Frank Rühli bei der Arbeit: Aufschlussreicher Blick in die menschliche Vergangenheit.  

Können Sie bei den untersuchten Mumien denn das Erbgut untersuchen?

Dank Unterstützung der UZH und des Nationalfonds haben wir hier am Campus Irchel ein topmodernes Mumien-DNA-Labor. Es gibt weltweit nur wenige Labors, die speziell für die Arbeit mit solchen Resten von Erbgutmolekülen geeignet sind. Wir untersuchen diese so genannte «ancient» oder aDNA; sie ist DNA von Körpern, welche schon mehrere Tausend Jahre tot sind. Die Untersuchungen sind extrem diffizil, denn die DNA ist sehr fragmentiert, durch die Einflüsse von Zeit, Temperatur oder Lichteinstrahlung.

Kürzlich fanden ägyptische Forscher an 44 untersuchten Mumien verstärkte Fettablagerungen in den Blutgefässen – eine Zivilisationskrankheit, die bei uns als Arteriosklerose bekannt ist. Der älteste Nachweis fand sich bei einer Prinzessin, die um 1550 vor Christus lebte. Wie interpretieren Sie dieses erstaunliche Ergebnis?

Die Ergebnisse bestätigen unsere eigenen Befunde. Mumien – insbesondere altägyptische – weisen in vielen Fällen Arteriosklerose auf. Das ist deshalb aussergewöhnlich, weil man diese Gefässkrankheit ja eigentlich oft mit modernen Ess- und Lebensgewohnheiten verbindet. Nun sehen wir, dass selbst die alten Ägypter unter einer «modernen Zivilisationskrankheit» litten. Man muss allerdings berücksichtigen, dass wohl meist nur Mitglieder der Oberschicht in Ägypten mumifiziert wurden, also Menschen, die reichlich zu essen hatten. Trotzdem erstaunt, dass die Gefässkrankheit den Menschen schon so lange begleitet.

In einem Ihrer Forschungsprojekte geht es um Salzmumien aus dem Iran. Was genau erforschen Sie dort?

Nordwestlich von Teheran wurde ein sensationeller Fund gemacht. Sechs zum Teil sehr gut erhaltene Mumien konnten bisher geborgen werden. Es handelt sich um Arbeiter, die vor rund 2000 Jahren von einem einstürzenden Salzbergwerk verschüttet wurden. Ich arbeite bei der Untersuchung der Mumien mit iranischen und deutschen Kollegen zusammen. Finanziert wird das Projekt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.  

Wie ist es heute: Werden Tote noch mumifiziert?

Für unsere Präparierkurse für Medizinstudierende «mumifizieren» wir Anatomen die Leichen unter anderem mit Formalin. In den USA lassen sich Leute nach dem Tod tiefgefrieren und hoffen auf ein späteres Leben. Das ist natürlich eine Illusion, denn jede Zelle wird bei diesem Prozess geschädigt. Es gibt auch «politische Mumien», wie zum Beispiel Lenin oder Mao.