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125 Jahre Deutsches Seminar

Klagen der «Pädagogia» erhört

Das Deutsche Seminar der Universität Zürich wird am 18. Januar 2011 auf den Tag genau 125 Jahre alt. Zum Jubiläum sind eine Ausstellung und eine Chronik geplant. Bereits jetzt lassen sich auf einer speziellen Website historische Dokumente über die Seminargeschichte nachlesen.
Roland Gysin

Der Lehramtskandidaten-Verein «Pädagogia» machte sich im Dezember 1885 in einem Brief an die kantonale Erziehungsdirektion grosse Sorgen über die Qualität der Ausbildung. Es herrsche das Gefühl vor, «dass in praktisch, stilistisch rhetorischer Beziehung aus den Vorlesungen an der Hochschule wenig Erspriessliches gewonnen werde und dass die Fortschritte, die man während der vier Semester Hochschulstudium im Deutschen mache, hinter den Erwartungen zurückliegen.»

125 Jahre Deutsches Seminar an der Universität Zürich: «Eine Einrichtung für das Fach der deutschen Sprache.»

Die Eingabe der «Pädagogia» war nicht der erste Versuch, innerhalb der philosophischen Fakultät I. Sektion der Universität Zürich, «für das Fach der deutschen Sprache eine Einrichtung zu treffen». Dies obwohl bereits 1833, im Gründungsjahr der Universität, der Thüringer Philologe Ludwig Ettmüller ältere deutsche Philologie zu unterrichten begann.

Erst fast sechzig Jahre später sollten die deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft eine eigenständige Stellung erhalten.

«Zweckmässige Ausbildung»

Am 18. Januar 1886 wurden die Klagen der «Pädagogia» erhört. An diesem Tag trat das «Reglement für das deutsche Seminar an der Hochschule in Zürich» in Kraft. Neben der «zweckmässigen Ausbildung für Lehramtskandidaten» sollte den Studierenden die Gelegenheit geboten werden, sich «Kenntnisse auf dem Gebiete der deutschen Sprache und Literatur zu verschaffen» und sie sollten angeleitet werden «zu selbstständigen methodischen Arbeiten».

«Mittheilung der Direktion des Erziehungswesens des Kantons Zürich», 18. Januar 1886: «Das Reglement betreffend das deutsche Seminar an der Hochschule wird in Kraft erklärt.»

Erster ordentlicher Professor am neuen Deutschen Seminar war der Gymnasiallehrer und Gemeinderat Jakob Baechtold (1848–1897), der zuvor während fünf Jahren parallel zu seiner Lehrertätigkeit auch das Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung geleitet hatte. Noch heute bekannt ist Baechtold aber vor allem als Biograph von Gottfried Keller, obwohl die beiden sich 1885 zerstritten hatten. «Sie zählen meine Räusche», soll der Dichter und Schriftsteller Gottfried Keller dem späteren Professor vorgeworfen haben.

Website mit Orginaldokumenten

Solche und weitere Anekdoten und Geschichten fliessen in eine Ausstellung ein, die das Deutsche Seminar auf den Herbst plant. Dazu wird eine Chronik über die Seminargeschichte veröffentlicht. Zurzeit ist eine Arbeitsgruppe mit den Vorarbeiten beschäftigt. Kontaktperson ist Sibylle Dorn, Stabsstelle der Seminarleitung.

Bereits aufgeschaltet ist eine Jubiläums-Website, auf der nach und nach historische Dokumente über das Deutsche Seminar zugänglich gemacht werden. Zum Beispiel lässt sich als Faksimile nachlesen, wie Baechtold und ein Professorenkollege vom Romanischen Seminar im März 1890 darum bemüht waren, ein «Arbeits-, Bibliotheks- und Uebungszimmer für die Studierenden» zu erhalten. Oder dass der Regierungsrat des Kantons Zürich für die Seminarbibliothek der Handvoll Studenten lediglich 200 Franken bewilligte, obwohl Baechtold 400 Franken beantragt hatte.

Aktuelle Einblicke

Neben der Chronik und der Ausstellung möchte das Deutsche Seminar nicht nur einen Blick zurückwerfen und Meilensteine benennen, etwa den berühmten Literaturstreit, den Emil Staiger 1966 vom Zaune brach, sondern auch Einblicke in die aktuelle Arbeit in Forschung und Lehre gewähren.

Dabei werden heute kontrovers diskutierte Themen aufgeworfen. Zum Beispiel inwieweit sich die Germanistik als Kulturwissenschaft versteht. Oder welchen Stellenwert die Schweizer Literatur am Seminar hat.

Und schliesslich, weshalb die Universität überhaupt ein Deutsches Seminar braucht, und warum man je ein sprachübergreifendes Departement für Literaturwissenschaft und für Sprachwissenschaft für keine gute Idee hält.