Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Plastizität des Gehirns

«Über das alternde Gehirn weiss man noch wenig»

Das Lern- und Wissenspotenzial älterer Menschen ist grösser als allgemein angenommen, sagt Gerontologe Mike Martin. Er ist leitendes Mitglied des neuen Zentrums für Plastizitätsforschung an der Universität Zürich. Im Interview mit UZH News beschreibt er, wie das neue Zentrum die Plastizität des alternden Gehirns erforschen will.
Marita Fuchs

Kategorien

Im Oktober 2009 wurde das «International Normal Aging and Plasticity Imaging Center» (INAPIC) an der Universität Zürich gegründet. Vom 3. bis 5. Mai findet nun eine Kick-off-Veranstaltung mit internationaler Beteiligung statt. Worum geht es dabei?

Wir haben ein internationales Expertenteam eingeladen, um mit uns über die Zukunftsvisionen in der Altersforschung zu diskutieren. Darunter sind bekannte Forscherinnen und Forscher aus den USA, Schweden und anderen Ländern. Sie reisen mit ihren Nachwuchsforschern an.

Wir möchten mit der Kick-off-Veranstaltung eine Zusammenarbeit auf Dauer etablieren. Die Nachwuchsforscher sind eingeladen, eine Zeit lang hier in Zürich an unserem Zentrum zu arbeiten. Wir hoffen, dass fruchtbare Kooperationen entstehen.

Lernen im Alter: Regt das Training auch andere Teile des Gehirns an?

Sie untersuchen im neuen Zentrum die Plastizität des normal alternden Gehirns. Der Fokus liegt nicht auf pathologischen Alterserscheinungen wie der Alzheimer-Krankheit. Warum?

Über das alternde Gehirn weiss man noch wenig. Viele Alterungsprozesse, und insbesondere geistige Leistungen, können anders als bislang interpretiert werden: Reduzierte Gedächtnisleistungen zum Beispiel sind nicht zwangsläufig auf das zunehmende Alter zurückzuführen, sondern schlichtweg auf den Nichtgebrauch kognitiver Funktionen.

Altern ist kein Schicksal. Der Fokus unseres Zentrums liegt deshalb in der Erforschung von normalen Alterungsprozessen. Methodisch arbeiten wir vor allem mit bildgebenden Verfahren.

Welche Projekte sind am neuen Zentrum geplant?

Ein Projekt befasst sich mit der Frage, wie ein Training aussehen müsste, das kognitive Leistungen im Alter fördert. Es gibt Studien, die besagen, dass einseitiges intensives Training gar nicht so förderlich ist, wie bisher vermutet.

Wir wollen also herausfinden, was im Gehirn passiert, wenn ein älterer Mensch etwas ganz Neues lernt – Golfspielen zum Beispiel – und intensiv trainiert. Eine Frage wäre, ob dieses Training auch andere Bereiche des Gehirns anregt und die neu erlernten Fähigkeiten übertragen werden können.

Da wir mit bildgebenden Verfahren arbeiten, sammeln wir sehr viele Daten, die wir archivieren und auch anderen Forschern zur Verfügung stellen. Dazu muss eine Gehirn-Datenbank entwickelt werden, die die Daten der Scanner mit den medizinischen und biografischen Daten der Probanden in sinnvoller Weise zusammenstellt.

Wie wird Ihre Forschung finanziert?

Die «Velux Stiftung» unterstützt unsere Arbeit mit 2,225 Millionen Franken. Dafür sind wir sehr dankbar.

Der Zürcher Universitätsverein finanziert am Zentrum für die nächsten sechs Jahre eine neue Assistenzprofessur mit einem Betrag von einer Million Franken. Wie sieht das Idealprofil eines Bewerbers aus?

Wir suchen für den Frühling 2011 eine Forscherin oder einen Forscher, der auf dem Gebiet der längsschnittlichen Alters- und Plastizitätsforschung arbeitet und sich mit neurowissenschaftlichen Methoden auskennt.

An der Kick-off-Veranstaltung geht es auch um Visionen der Plastizitätsforschung. Wo steht die Altersforschung in zehn Jahren?

Wir konzentrieren uns am INAPIC darauf, was gesundes Altern ausmacht und was zum Erhalt von Hirnplastizität und präventiv unternommen werden kann. Im Unterschied zur krankheitsorientierten Altersforschung wird unser Kompetenzzentrum für die Mehrzahl der gesunden älteren Menschen wesentliche Erkenntnisse darüber liefern, mit welchen Aktivitäten, anstatt Krankheiten zu überwinden, Gesundheit erhalten werden kann.

Dass dies nicht durch dieselben Aktivitäten geschieht, liegt auf der Hand, wurde aber bisher nicht erforscht. Damit wird ein bedeutender Beitrag für ein kompletteres Verständnis des Alters geleistet, aber vor allem auch Grundlagen für Präventionsmassnahmen gelegt.

Das Kompetenzzentrum ist darüber hinaus eine attraktive Forschungsumgebung, die vermehrt bestqualifizierten neurowissenschaftlichen Nachwuchs für die gesundheitsorientierte Altersforschung anziehen wird. Daher rechnen wir damit, dass in wenigen Jahren Alters- und Plastizitätsforschung ein Kerngebiet der psychologischen Forschung sein wird.