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Zurich.Minds

Zum Beispiel sechs Minuten über Pflanzensex

Professoren, wissenschaftliche Nachwuchskräfte, Wirtschaftsführer und Kulturschaffende trafen sich im Kaufleuten Zürich, um in ungezwungener Atmosphäre Referaten zu lauschen und Kontakte zu knüpfen. Auf dem Podium unter anderem ein Pflanzenbiologe, ein Risikoforscher, zwei Evolutionspsychologen und ein Skispringer.
Roland Gysin

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Wenn fast 200 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, darunter über 20 von der Universität Zürich, wenn Chief Executive Officers von Versicherungen, Telekom- und Elektrotechunternehmen, ehemalige Banker, Kulturschaffende oder Vertreterinnen und Vertreter von Stiftungen und anderen gemeinnützigen Organisationen sich einen halben Nachmittag und den ganzen Abend freischaufeln, dann muss es sich um ein ganz besonderes Event handeln. Etwas in der Grössenordnung Staatsempfang oder Preisverleihung. Falsch.

Michael Raissig, Pfanzenbiologe, Universität Zürich: «Mütterliche Gene drosseln das Wachstum des Fötus.»

Handverlesene Teilnehmer

Kein Präsident gab sich die Ehre, keine Medaille wurde verliehen und kein Geld verteilt. Stattdessen kamen gemäss Ankündigung «the smartest, most creative and most innovative people in and around Switzerland» zu einem lockeren Treffen zusammen. Darunter von der Universität Zürich etwa: Laura Baudis, Professorin für Experimentalphysik, Bruno S. Frey, emeritierter Professor für theoretische und praktische Sozialökonomie, Ueli Grossniklaus, Professor für Entwicklungsbiologie, Michael Hengartner, Professor für Molekularbiologie und Dekan, Ben Moore, Professor für Astrophysik, Klaas Enno Stephan, Professor für Computational Neuroeconomics, oder Daniel Wyler, Professor für theoretische Physik und Prorektor Medizin und Naturwissenschaften.

Der Anlass des Stelldicheins hiess «Zurich.Minds. Zurich.Minds ist ein loser Zusammenschluss von Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Kultur, Politik und Wirtschaft, die sich im Jahresrhythmus treffen, Kontakte knüpfen, Ideen austauschen und Kurzvorträgen lauschen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind handverlesen. Ohne Empfehlung keine Einladung.

Keine Political Correctness

Initiator des Anlasses ist Rolf Dobelli, Schriftsteller, Unternehmer und Mitgründer von «getAbstract», dem weltweit tätigen Anbieter von Buchzusammenfassungen. Die Regeln sind einfach: keine Krawatten, keine Ideologien, keine Political Correctness, dafür viel Herzblut. Und besonders wichtig: Mit niemandem sprechen, den man bereits kennt. Lingua franca ist Englisch.

Rolf Dobelli, Initiator von Zurich.Minds: «Sharing Passion» als Veranstaltungsmotto.

Die Finanzierung läuft ausschliesslich über Spenden von Firmen und Einzelpersonen. Die Agenda von Zurich.Minds läuft immer gleich ab, so auch bei der dritten Durchführung Mitte September im Grossen Saal des Zürcher Kaufleuten. Dobelli hört oder liest von einem spannenden Forschungsprojekt und lädt die betreffenden Forschenden für einen Kurzvortrag ein. Professoren erhalten 18 Minuten für ihre Präsentation. Special Guests dürfen auch mal 40 und mehr Minuten sprechen. Doktoranden müssen sich mit 6 Minuten begnügen.

Mütterliche Gene hemmen Wachstum

Zum Beispiel der Pflanzenbiologe und PhD Michael Raissig von der Universität Zürich. Der «Rookie», so die offizielle Bezeichnung für «Zurich.Minds-Frischlinge» auf dem Podium, sprach über «The battle of sexes» anhand der «Parental Conflict Theory»: Pflanzliche und tierische Zellen bestehen immer aus einem identischen mütterlichen und väterlichen Gen, die jeweils aktiv oder inaktiv sind. Nicht so die sogenannten «imprinted genes», die immer nur bei einem Elternteil aktiv sind. Spannend: Gerade diese Gene haben eine wichtigen Einfluss auf die frühe Entwicklung des Embryos.

Raissig hat nun herausgefunden, dass wachstumsfördernde Gene mütterlicherseits meistens «stumm», wachstumshemmende hingegen «aktiv» sind. Die Erklärung dafür liefert die «Parental Conflict Theory»: Mütter müssen während der Embryonalentwicklung die Ressourcen für sich selbst und weitere Nachkommen aufsparen. Ihre Gene drosseln deshalb das Wachstum des Fötus. Der Vater hingegen will grosse und starke Nachkommen, seine Gene sind deshalb wachstumsfördernd.

Didier Sornette, Risikoforscher, ETH Zürich: Referat über komplexe Systeme und mathematische Modelle.

Beim Risikoforscher Didier Sornette von der ETH Zürich ging es um Prognosen. Er referierte über komplexe Systeme und mathematische Modelle. Die Pharmazeutin Amrei Wittwer vom Collegium Helveticum legte dar, dass, wer sich mit starken Figuren wie Superman & Co. Identifiziert, schmerzresistenter ist.

Aus den USA angereist waren Leda Cosmides und ihr Ehemann John Tobby. Die beiden gelten als Mitbegründer der Evolutionspsychologie. Sie verfolgen einen methodischen Ansatz in der Psychologie, der menschliches Verhalten mit Resultaten aus der Stammesgeschichte und ökonomischen Modellen ergänzt.

Skispringen mit Sensoren

Für einen weiteren Höhepunkt war der Skispringer und vierfache Olympiasieger Simon Ammann besorgt. Zusammen mit Gerhard Tröster, Professor für Mikroelektronik an der ETH Zürich, sprach er über die Belastungen, denen Skispringer während ihres 10-Sekunden-Einsatzes ausgesetzt sind. Basis sind Sensoren, die Ammann zum Beispiel auch während seines Siegerfluges an den Olympischen Spielen in Vancouver 2010 trug.

Simon Amman, Skrispringer: Dank Sensoren Herz-und Pulsfrequenz während des 10-Sekunden-Einsatzes im Griff.

Die Sensoren messen unter anderem Herz- und Pulsfrequenz. Das erstaunliche dabei: Ammanns Werte folgen immer dem gleichen Muster, im Training wie im Wettkampf. Am schnellsten rasen Puls und Herz beim Absprung, in der Luft nehmen sie ab und steigen erst nach der Landung wieder an.

Ammann ist offenbar in der Lage, seinen inneren Computer optimal auf die verschiedenen Phasen abzustimmen. Die Sensoren machen diese Stärke sichtbar, und die Resultate tragen dazu bei, Training und Ernstfall noch effizienter zu gestalten. Etwas, wovon auch Nachwuchskräfte dereinst profitieren sollen.