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«Junior Euler Society»

Köpfchen, Kreide und Kreativität

In der Mathematik geht es um Fantasie und logisches Denken, sagt die Mathematikprofessorin Anna Beliakova von der Universität Zürich. Von ihrem Wissen profitieren nicht nur Studierende, sondern auch Gymi-Schüler. Sie besuchen Kurse der «Junior Euler Society». 
Marita Fuchs
Was für mathematische Aufgaben lösen die Jugendlichen in den Kursen der «Junior Euler Society» von Professorin Anna Beliakova? Viviane und Kevin zeigen es stellvertretend für die Klasse.

Jonathan, Sebastian, Anastasia, Moritz, Vincent und Bianca haben eines gemeinsam: Sie mögen Mathematik. Die Schüler der Kantonsschule Rämibühl treffen sich nach der Schule und tüfteln zusammen an mathematischen Knacknüssen. «Das Angebot der «Junior Euler Society» ist nicht ‚abgespaced’», meint Vincent, und Sebastian erklärt, worum es geht: «Für den Kurs sind keine Voraussetzungen nötig. Du musst weder viel Vorwissen noch gute Noten haben. Nur Spass an Mathe und am Problemlösen.»

Die Schüler nehmen an einem Kurs der «Junior Euler Society» teil, die auf Initiative des mathematischen Instituts 2007 gegründet wurde. «Es ist absolut essentiell, junge Leute früh für die Naturwissenschaften zu begeistern. Dazu leistet die MNF mit der ‚Junior Euler Society’ einen einzigartigen Beitrag», begründet Daniel Wyler, designierter Prorektor Medizin und Naturwissenschaften, das Engagement der Fakultät. «Auch in anderen Gebieten wie Physik und Chemie wären ähnliche Programme wünsch- und denkbar.»

Quod erat demonstrandum

Mathematikprofessorin Anna Beliakova erteilt seit drei Jahren zusammen mit ihren Assistentinnen Kurse für junge Denkkünstler. Sie steht nach einem anstrengenden Tag mit Vorlesungen und Besprechungen nun vor den 12- bis 14-Jährigen, die aus ganz unterschiedlichen Gymnasien in Zürich, Brugg und Schwyz zusammengewürfelt sind.

Zum Warmwerden beginnt Anna Beliakova mit der Freund-Feind-Aufgabe, die sie schon in der letzten Stunde verteilt hat: «In einem Raum befinden sich sechs Personen. Je zwei dieser Personen sind entweder Feinde oder Freunde. Zeige, dass man stets drei dieser Leute auswählen kann, die entweder gegenseitig befreundet oder verfeindet sind.»

Die Jugendlichen beginnen zu diskutieren, dann geht Bianca an die Tafel und skizziert die Lösung. Ihr Trick: Sie visualisiert die Aufgabe, zeichnet die Personen und deren Freund-Feind-Bezüge. So wird die Aufgabe schon viel klarer. Die anderen nicken und bringen ihre Ideen ein.

Chaos ordnen, Strukturen erkennen

Anna Beliakova hatte selbst als Kind in ihrer weissrussischen Heimat besondere Freude an logischen Aufgaben. «Das Tüfteln und Knobeln hat in Russland Tradition, es ist Teil der Kulturgeschichte», sagt sie. Viele Aufgaben, die sie jetzt mit den Kindern und Jugendlichen bearbeite, habe sie sogar einem russischen Buch entnommen.

Die Inhalte der Kurse tangieren den Schulstoff nicht. «Wir möchten zeigen, dass es in der Mathematik nicht in erster Linie ums Rechnen geht, sondern um die Fähigkeit, Chaos zu ordnen und Strukturen zu erkennen», sagt sie. «Hier sind Fantasie und Kreativität genau so gefragt wie logisches Denken.» Sie denke dabei gern an ein Zitat des deutschen Mathematikers David Hilbert, der auf die Frage, was aus einem seiner Studenten geworden sei, geantwortet habe: «Er hatte nicht genug Fantasie für Mathematik, also ist er Dichter geworden.»

Keine stillen Streber

Für die Kurse am Gymnasium haben sich im letzten Jahr 70 Kinder angemeldet, gerechnet hatte Anna Beliakova mit 20. Zusätzlich bietet die Junior Euler Society Kurse für ältere Jugendliche an der Universität an. Diese Gruppen sind bunt zusammengewürfelt, einige Jugendliche reisen extra aus dem Aargau aus Zug oder anderen Kantonen an.

Wer denkt, es gehe in der «Junior Euler Society» ums stille und konzentrierte Lösen von Aufgaben, ist erstaunt, wie intensiv in den Kursen über Mathematik geredet wird. «Viele Leute meinen, dass Mathematiker stille Streber seien», lacht Beliakova. «Dabei ist das Reden und die Diskussion über Probleme auch für mich als Wissenschaftlerin essentiell. Ich bin davon überzeugt, dass Mathematiker mehr miteinander diskutieren als so manche Sozialwissenschaftler.»