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Karl Moser-Ausstellung

Der steinige Weg zur Erkenntnis

Eine Ausstellung im Kunsthaus Zürich (bis 27. Februar 2011) würdigt den Architekten Karl Moser, den Erbauer des Kollegiengebäudes der Universität Zürich. Wie die Universität zu ihrem Turm kam, erklärt der Architekturhistoriker Thomas Gnägi. 
Interview: Sascha Renner

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UZH News: Herr Gnägi, holte sich die Universität mit Karl Moser einen Stararchitekten?

Thomas Gnägi: Ja. Moser baute das Kollegiengebäude von 1911 bis 1914; schon 1900 wurde ihm von der ETH eine Professur angeboten, die er vorerst ablehnte. Im süddeutschen Raum war er eine wichtige Figur. Bei seinem Begräbnis wurde er als «der wichtigste Architekt seit Gottfried Semper» gewürdigt.

Womit überzeugte Karl Moser die Jury im Wettbewerbsverfahren?

Mit einer ausgesprochen guten, topografisch ausgeklügelten Lösung: Er passte die beiden Gebäudekuben dem Geländeverlauf ein. Das Kollegiengebäude versetzte er nach hinten zum Zürichberg, das Biologiegebäude nach vorne zur Stadt hin. Die Aufgabe war äusserst komplex: Das ETH-Gebäude nebenan stand auf einem Plateau, die Universität aber musste auf einem abfallenden Gelände errichtet werden.

Welche architektonische Sprache wählte Karl Moser für die Universität?

Der Kanton verlangte einen monumentalen Baukörper. Das Blockhafte dieser Konzeption durchbrach Moser jedoch mit einer aufgelösten Fassade und der Vertikalen des Turms. Er befriedigte das kantonale Repräsentationsbedürfnis nicht mit einem klassischen Bauvokabular wie etwa einer Palastfassade, sondern er suchte nach einem eigenständigen, der Zeit und der örtlichen Topografie angemessenen Stil.

Unverkennbare Handschrift: Das vom Architekten Karl Moser (1860–1936) ausgeführte Aquarell von 1912 zeigt das untere Foyer an der Künstlergasse.

Die Treppe des Kollegiengebäudes erinnert an barocke Schlossarchitektur, die Galerien an romanische Klosterarchitektur. Ist das nicht ein heilloser Eklektizismus?

Es gibt diese unterschiedlichen Elemente, ja. Nur sollen sie nicht auf ein Kloster oder auf ein Schloss verweisen. Sie sind vielmehr praktischer Natur und versinnbildlichen den Weg zur Erkenntnis: Nach der eher gedrungenen, dunklen Eingangshalle zieht es einen durch die geschwungene Treppe förmlich den Lichthof hinauf.

Wie kam die Universität zu ihrem Turm?

Moser sah keinen so hohen Turm vor. Der Kanton wünschte einen mächtigen Bau und forderte die jetzige Gebäudehöhe.

Die Höhe des Turms beläuft sich auf 65 Meter stadtseitig – ein veritables Hochhaus?

Durchaus. Es gab eine europäische Debatte, nach der einzelne Hochhausbauten als Marksteine im Stadtbild fungieren sollten. Der Uniturm war für Zürich ein solcher Richtbau und kann daher als das erste Hochhaus der Stadt Zürich gelten.

Die Gewölbe der Kreuzbögen sind alle vorgeblendet, die Konstruktion kaschiert. Was steckt hinter dieser Scheinarchitektur?

Das war geradezu modern. Moser ging es um die Wirkung, wie man auch im Lichthof erkennt: Die sichtbare Form, ein gläsernes Segel, hängt an einem schützenden zweiten Glasdach. Vor die Konstruktion setzte Moser eine sinnstiftende Kunstform.

Veränderte der Bau das Selbstbewusstsein der Universität? Vorher war man räumlich ein Teil der ETH, jetzt baulich ebenbürtig.

Der Bau hatte Signalwirkung: Die Stadt realisierte, dass sie neben der ETH eine zweite bedeutende Institution beherbergte. Der Kanton hoffte bis zum Zeitpunkt des eigenen Projekts, dass die Universität Zürich einmal Teil einer eidgenössischen Universität sein würde; nun emanzipierte sie sich mit einem eigenständigen Gebäude.

Schon kurz nach 1914 schmiedete man Erweiterungspläne. Geriet das Gebäude zu klein?

Nein, aber die kantonale Verwaltung brauchte Lokalitäten. Moser sah vor, die Universität seeseitig zu spiegeln. Das Projekt wurde jedoch nicht ausgeführt: Meterhohe Sockelbauten wären nötig gewesen, um das abfallende Gelände auszugleichen.

Im Kollegiengebäude erstellten Künstler Wandmalereien, die 1915 einen Eklat provozierten. Was war geschehen?

Moser förderte die jungen, progressiven Künstler seiner Zeit. Deren Bilder zeigten nackte, schwebende Jünglinge und Mädchen. Das war den Zürcherinnen und Zürchern zuviel. Die Wandmalereien mussten 1915 übertüncht werden.

Entspricht der heutige Bau noch der ursprünglichen Konzeption?

In weiten Teilen, ja. Man hat sich in der 1980er-Jahren erfolgreich dagegen gewehrt, dass der Lichthof des Kollegiengebäudes durch einen Hörsaal verdichtet wird.

Welchen Stellenwert hat die Universität im OEuvre von Karl Moser?

Sie ist eines seiner wichtigsten Werke.

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