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Informatik und Umweltschutz

Computerschrott und «grüne» Software

Lorenz Hilty ist der erste Professor für Informatik und Nachhaltigkeit an der Universität Zürich. Daneben forscht er auch an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa). Etwa darüber, dass Biotreibstoffe nicht zwingend umweltfreundlich sind oder weshalb Manager lieber fliegen, als sich via Videokonferenz zu treffen. 
Marita Fuchs

Nach spätestens drei Jahren ist ein Computer veraltet. Wer trotzdem an seinem Gerät festhält, ist nicht mehr up-to-date. Das ‚antike’ Betriebssystem kann aktuelle Softwareentwicklungen nicht umsetzen, und das neue verlangt nach einem leistungsfähigeren Rechner. Berge von Computerschrott landen an den Recyclingstellen oder direkt auf dem Müll, – tonnenweise wertvolle Metalle, die nicht wiederverwendet werden.

Lorenz Hilty: «Die Informatik kann viel dazu beitragen eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen.»

«Die Diskussion über Green-IT hat auch die Schattenseiten der Informatik zu einem wichtigen Thema gemacht», erklärt Lorenz Hilty, Professur für Informatik und Nachhaltigkeit. Er tritt auf Anfang Februar am Institut für Informatik der Universität Zürich seine Stelle als Ordinarius ad personam an.

«Die Verkaufsstrategien der IT-Hersteller sind keinesfalls nachhaltig, denn es steht nirgends geschrieben, dass jede neue Sofware-Version mehr Hardware-Ressourcen beanspruchen muss als ihr Vorgänger.» Um nachhaltige Software zu gestalten, brauche die Gesellschaft Informatiker, die sich ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind und nicht nur das technisch mögliche umsetzen, so das Postulat Hiltys.

Zweites Standbein an der Empa

Zukünftige Studierende auf Masterstufe können sich bei dem gebürtigen St. Galler das intellektuelle Rüstzeug holen, um Hard- und Software in soziale und ökologische Zusammenhänge einzubetten. Die zwischen Sozialwissenschaften, Ökologie und Informatik angesiedelte Disziplin Hiltys hat sich der formalen Modellierung solcher Veränderungsprozesse angenommen.

Mit zwei Semesterwochenstunden Lehrverpflichtung füllt er eine 25-Prozent-Stelle an der Universität. An der Empa ist er weiterhin als Leiter der Abteilung «Technologie und Gesellschaft» angestellt, hier arbeitet er an konkreten Projekten, in die er seine zukünftigen Studierenden und Doktorierenden mit einbeziehen möchte.

Quick-Check-Tool zur Nachhaltigkeit von Biotreibstoffen

So entwickelt seine Abteilung an der EMPA ein Informationssystem, das die Nachhaltigkeit von Biotreibstoffen berechnet. Dazu wurde im Auftrag des Bundes eine Software entwickelt, die die tatsächliche Umweltbelastung bei dem angeblich nachhaltigen Biotreibstoff berechnet.

Das webbasierte Tool steht jetzt schon im Internet zur Verfügung und kann von Firmen oder Investoren als Quick-Check-Tool genutzt werden. Unterschiedliche Parameter wie Infrastruktur, Dünger, Bodenstruktur, Pestizide oder Wegstrecken werden für das jeweilige Land ausgefüllt. Das Ergebnis: eine hieb- und stichfeste Nachhaltigkeitsbilanz.

Tonnenweise wertvolle Metalle landen auf dem Müll.

Das Gute an dieser Software-Entwicklung: Sie lässt sich adaptieren. Zum Beispiel für eine bekannte internationale Bekleidungsfirma, die wissen will, wie nachhaltig sie einkauft. Sprich: Ob die Baumwolle der Lieferanten tatsächlich ökologisch angebaut und bearbeitet wird. Dazu geben ortskundige Informanten in den Ländern die entsprechenden Daten ein. Unterschiedliche geografische und infrastrukturelle als auch gesellschaftliche Parameter fliessen dann zusammen in die Berechnung ein. Am Ende lässt sich Bilanz ziehen.

Modellierte Akteure mit Weitsicht

«Die Informatik kann viel dazu beitragen, Entscheidungen mit komplexen Auswirkungen in Bezug auf eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen. Entweder modellieren wir komplexe Systeme einschliesslich der sozialen Akteure, die sie bestimmen, oder wir unterstützen den Diskurs innerhalb von Gruppen, die Entscheidungen fällen. Auf diese Weise kann die Informatik zu einer Versachlichung der Diskussion und zu besseren Entscheidungen beitragen», erklärt Hilty.

Ein weiteres Beispiel sei die Frage des Geschäftsverkehrs. «Täglich reisen die Menschen um die Weltkugel, um sich bei Meetings zu treffen. Wir wissen alle, wie sehr das unsere Umwelt belastet.» Videokonferenzen konnten sich nicht durchsetzen. Sie seien unterm Strich nicht nachhaltig, weil die Menschen auf den Meetings auch informelle Kontakte suchen, die diese Technik nicht bietet. «Wir benötigen also neue Technologien und kreative Lösungen, die diesem Bedürfnis der Konferenzteilnehmer entsprechen.»