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EU-Forschungsförderung

Sechs Millionen Euro für Zürcher Nachwuchsforscher

 Jeder vierzigste Krebspatient leidet an Nierenkrebs. Ian Frew, Assistenzprofessor am Physiologischen Institut der Universität Zürich, will herausfinden, welche genetischen Defekte dafür verantwortlich sind. Der Europäische Forschungsrat unterstützt seine Studien – genauso wie drei andere herausragende Projekte von UZH-Nachwuchsforschern – mit je 1,5 Millionen Euro. Die Arbeiten im Überblick.
Marita Fuchs und Roland Gysin

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Gleich vier Nachwuchsforscher der Universität Zürich erhalten 2010 Fördergelder des Europäischen Forschungsrates (ERC). Der ERC vergibt jedes Jahr je 1,5 Millionen Euro für herausragende Forschungsprojekte. Bewerben um ERC-Förderprogramme können sich Forschende aller Fächer und Disziplinen. Es gibt zwei Förderlinien: Mit dem «Advanced Investigator Grant» zeichnet der ERC etablierte Forschende aus. Der «Starting Independent Researcher Grant» kommt vielversprechenden Nachwuchsforschenden zugute.

Daniel Wyler, Prorektor Medizin und Naturwissenschaften der Universität Zürich, ist erfreut über den aktuellen Erfolg: «Wir sind sehr stolz, dass sich unsere Nachwuchsforschenden so erfolgreich um diese bedeutende wissenschaftliche Auszeichnung beworben haben. Dies spricht für den ausgezeichneten Forschungsstandort Zürich.»

Drei der ausgezeichneten Wissenschaftler gehören der Mathematisch-naturwissenschaftlichen, einer der Medizinischen Fakultät an. Hier die Projekte im Überblick:

«Kidney Cancer» von Ian Frew

Ian Frew: Auf der Suche nach neuen Therapieformen gegen Nierenkrebs.

Verstehen, wie Nierenkrebs entsteht

Jeder vierzigste Krebspatient leidet an Nierenkrebs. Davon wiederum sind 80 Prozent an einem klarzelligen Nierenzellkarzinom erkrankt. Diese Tumorart verläuft in der Regel sehr aggressiv, ohne dass es effiziente Therapien gibt. Ian Frew (34) beabsichtigt, die genetischen Defekte, die dem Nierenzellenkarzinom zu Grunde liegen, zu definieren und mit diesem Wissen neue Therapieformen zu entwickeln.

Der gebürtige Australier arbeitet als Assistenzprofessor für Physiologie am Zürcher Zentrum für Integrative Humanphysiologie der Universität Zürich. «Üblicherweise wissen Zellen genau, wann und wie oft sie sich teilen müssen», sagt Frew zum Hintergrund seiner Forschungen. «Entsteht ein Krebstumor, fällt dieses System in sich zusammen.» Mit seinen Studien will Frew nun diejenigen Gene ausfindig machen, die für die Teilung der Nierenzellen verantwortlich sind und untersuchen, wie sich diese Gene in normalen und wie in karzinomen Nierenzellen verhalten.

Um den Prozess der Zellteilung besser studieren zu können, arbeitet Frew mit Gentech-Mäusen. Ihre Gensubstanz hat er so verändert, dass sich die Prinzipien hinter der Vermehrung von Nierenzellen besser erforschen lassen. Indem Frew mit Pathologen des Universitätsspitals Zürich zusammenarbeitet, kombiniert er Grundlagenforschung mit klinischer Forschung. Gleichzeitig sind seine Methoden innovativ. So führt er unter anderem genetische Massentests («genetic screening») durch: Dabei muss er nicht jedes Gen einzeln «screenen», sondern er kann gleich 100 bis 1000 Gene auf einmal untersuchen.

«neuroP» von Giacomo Indiveri

Giacomo Indiveri: Neuronale Netzwerke nachbauen.

Auf dem Weg zum künstlichen Gehirn

Wir sehen etwas und staunen. Wir riechen etwas und rümpfen die Nase. Wir hören etwas und spitzen die Ohren. Verantwortlich dafür ist das Zusammenspiel von Nervenzellen im Gehirn. Pausenlos erbringt es komplexe Rechen- und Koordinationsleistungen. «Wie die Nervenzellen im Gehirn miteinander agieren, ist weitgehend bekannt», sagt Giacomo Indiveri (43), Lehrbeauftragter der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät und Gruppenleiter am Institut für Neuroinformatik der ETH und der Universität Zürich.

Schwieriger wird es jedoch, wenn diese neuronalen Prozess nachgeahmt werden sollen. «Wir können zwar das Verhalten von einzelnen Nervenzellen bis hin zu neuronalen Netzwerken mit Computermodellen nachahmen, aber wir sind nicht in der Lage, tatsächlich Systeme zu bauen, die auch nur annährend etwa an die Leistungen eines Insektenhirns herankommen», erklärt Indiveri. «Das möchte ich ändern.»

In seinem Forschungsprojekt «neuroP» untersucht der Neuroinformatiker in einer ersten Phase die Eigenschaften von neuronalen Schaltkreisen im Neocortex. Der Neocortex bildet beim Menschen den grössten Teil der Oberfläche des Gehirns. Von dort aus werden unter anderem Sinneseindrücke und Bewegungen gesteuert. Indiveris Ziel ist es in einer zweiten Phase, neuronale Netzwerke nachzubauen, so dass sie einfache, praktische Aufgaben lösen und audiovisuelle Phänomene in Echtzeit erkennen können.

«MIRNA» von Roland Sigel

Roland Sigel: Ohne Metalle läuft in der Natur praktisch nichts.

Grundlegende Lebensprozesse verstehen

Roland Sigels (39) Forschungsgebiet scheint ein Widerspruch in sich selbst zu sein: «Bioanorganische Chemie». Auf den zweiten Blick wird der Name jedoch verständlich, denn Sigel, Ausserordentlicher Professor für Chemie, untersucht die Rolle von Metallen in Lebensprozessen. Denn ohne Metalle läuft in der Natur so gut wie nichts. Besonders eingehend untersucht er das sogenannte «Group II Intron».

Dieses Ribozym – eine Wortkombination des Erbstrangs RNA und Enzym – kommt bei Pilzen etwa bei der Hefe oder bei verschiedenen Pflanzen vor. Das Besondere am «Group II Intron» ist seine Fähigkeit der Selbstkatalyse. Das heisst, das Intron – selbst ein Abschnitt der RNA – faltet sich mit Hilfe von Metallen und schneidet sich dann aus der RNA heraus. Roland Sigel untersucht diese Fähigkeiten des Introns mit Hilfe der Einzelmolekül-Fluoreszenzspektroskopie.

«Group II Introns» haben noch weitere faszinierende Eigenschaften: Sie können sich selbständig und ohne fremde Hilfe wieder in RNA und sogar selbst in eine artfremde DNA einbauen. Sigel untersucht parallel dazu so genannte Riboswitches. Sie kommen fast ausschliesslich in gewissen Bakterien vor, wie etwa im Darmbakterium «Escherichia coli».

Das Riboswitch-Molekül reguliert die Biosynthese und den Transport des Coenzyms B12. Das Vitamin B12 enthält das Metall Kobalt und kann seine eigene Herstellung selbst regulieren, indem es sich direkt an den Riboswitch, also an die funktionelle Erbgutkopie bindet und so eine weitere B12-Synthese blockiert.

Projekt «Walk Again» von Grégoire Courtine

Grégoire Courtine: Kommunikation zwischen Gehirn und Rückenmark im Fokus.

Neue Strategie zur Wiedererlangung der Bewegung nach Querschnittlähmung

Grégoire Courtine (35) ist Neurowissenschaftler und Assistenzprofessor für Experimentelle Neurorehabilitation. Das Ziel seines Projekts «Walk again» ist die Entwicklung eines neuroprothetischen Systems, das die teilweise Wiederherstellung der willkürlichen Bewegung nach Querschnittlähmung ermöglicht.

Basierend auf der Erkenntnis, dass eine Kombination aus pharmakologischen und elektrischen Stimulationen sowie Rehabilitationstraining bei querschnittgelähmten Ratten zu annähernd normalem Gangmuster auf dem Laufband führt, möchte Grégoire Courtine nun einen Schritt weitergehen: Hochentwickelte Decodierungsalgorithmen werden angewendet, um Informationen über die Kommunikation zwischen Gehirn und Rückenmark während der Fortbewegung zu erhalten.

Dies erlaubt die Entwicklung eines Hirn-Rückenmark Interface im Sinne einer Überbrückung der Rückenmarksverletzung. Veränderungen in der Hirnaktivität während des Trainings werden eine direkte Modulation der Rückenmarkstimulation und somit der Muskelansteuerung und Bewegungsausführung zur Folge haben.

Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, arbeitet Courtine eng mit einem Netzwerk von lokalen Partnern an der UZH – die Professoren Martin Schwab und Armin Curt – und an der ETH – die Professoren Manfred Morari, Silvestro Micera, Janos Vörös und Robert Riener – zusammen.