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Model United Nations (MUN)

Die UNO aus der Innensicht

An vielen Universitäten in aller Welt simulieren Studierende regelmässig Verhandlungen der UNO in so genannten «Model United Nations» (MUN). Ende März trafen sich 2'500 Studierende in Den Haag zum WorldMUN 2009. Mit dabei war ein Team der Universität Zürich.
Adrian Ritter

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Kompromisse ermöglichen: Max Stern alias Cyrus Vance (im Zentrum) in Aktion bei der historischen Simulation der Camp David-Verhandlungen von 1978.

Cyrus Vance steht vor einer schwierigen Aufgabe: Der US-Aussenminister soll die Delegationen von Ägypten und Israel am runden Tisch zu einem Friedensabkommen führen. Vor derselben Herausforderung, wie sie Vance 1978 in den zwölftägigen, geheimen Camp David-Verhandlungen erlebte, steht jetzt Max Stern, Politologie-Student an der Universität Zürich.

Er hat sich bei der Anmeldung zum WorldMUN erfolgreich für die Rolle von Cyrus Vance beworben und weibelt jetzt zwischen der israelischen und der ägyptischen Delegation hin und her, um den Verhandlungsspielraum abzuschätzen und Kompromisse zu ermöglichen.

Der Geschmack der Weltbühne

Max Stern ist Präsident des «MUN Team UZH», welches er 2007 gemeinsam mit drei weiteren Studierenden der Politologie gegründet hat. Es umfasst derzeit rund 30 aktive Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Diese sind fasziniert von der Idee, Einblick zu erlangen in die Arbeitsweise der UNO und in diplomatische Gepflogenheiten, indem sie selber in die Rolle eines Diplomaten oder einer Diplomatin schlüpfen und Verhandlungen von UNO-Gremien simulieren.

Ziel der Simulationen ist es jeweils, eine Resolution zu verabschieden, die im Sinne der UNO-Werte den Frieden fördert und globale Probleme lösen hilft. Einmal jährlich organisieren die Studierenden des Harvard-College ein weltweites Treffen für MUN-Teams. Am diesjährigen, fünftägigen WorldMUN 2009 in Den Haag haben Teams von 275 Universitäten teilgenommen.

Ein MUN-Team vertritt dabei nie das eigene Herkunftsland, sondern hat die Aufgabe, sich mit der Situation und den Interessen eines ausgewählten Landes zu versetzen. «Es ist eine einmalige Gelegenheit, den Geschmack der politischen Weltbühne zu schnuppern», so die Erfahrung von Max Stern. Er hat in früheren MUNs bereits Libyen im UNO-Sicherheitsrat vertreten oder beispielsweise die Sicht der Philippinen bei der Diskussion um Bio-Treibstoffe eingebracht.

Die ägyptische Delegation (rechts) erläutert ihre Position, beobachtet von der US-Delegation im Hintergrund.

Intensive Vorbereitung

Das MUN-Team der UZH war in Den Haag mit einer 17-köpfigen Delegation vertreten. Viele von ihnen studieren Politik- oder Rechtswissenschaft, die Mitarbeit steht aber Studierenden aller Fachrichtungen offen.

Zwei Studierende beteiligten sich in den Haag an den historischen Camp David-Verhandlungen, ein Student amtete als Präsident des Internationalen Gerichtshofes und 14 Personen vertraten den Staat Kuba in diversen UNO-Gremien wie dem Menschenrechtsrat oder den verschiedenen Komitees der Generalversammlung.

Es sind herausfordernde Aufgaben, welche eine intensive Vorbereitung bedingen. So traf sich das UZH-Team während des letzten Semesters wöchentlich zu gemeinsamen Simulationen mit dem MUN-Team der ETH Zürich.

Um die Position eines Landes adäquat vertreten zu können, vertiefen sich die Studierenden für ihre Rolle in länderspezifische Informationen etwa des jeweiligen Aussenministeriums und studieren Dokumente und Resolutionen der UNO zum jeweiligen Verhandlungsthema. Dieses Jahr hatte das Team sogar die Möglichkeit, die UNO-Mission Kubas in Genf zu besuchen und mit den «echten» Diplomaten zu diskutieren.

«Es geht einerseits darum, die Position eines Landes glaubwürdig und realistisch darzustellen. Andererseits gilt es, diplomatisches Fingerspitzengefühl zu entwickeln und ein Verhandlungsresultat zu erzielen, welches der internationalen Zusammenarbeit förderlich ist», beschreibt Max Stern das Ziel.

Erfolg im Vorzimmer

Wer dabei beispielsweise den Sicherheitsrat dauernd mit seinem Veto lahmlegt, wird sich kaum als konstruktiver Gesprächspartner bei den anderen Delegationen beliebt machen. Konstruktive Mitarbeit werde belohnt, indem man eher Verbündete finde, ist eine der Lernerfahrungen von Max Stern.

«Die grössten Fortschrittte bei Verhandlungen finden oft während den Pausen im Vorzimmer statt», hat Stern ebenfalls erfahren. So diskutiert er denn in den Verhandlungspausen mit den Delegationen um den israelischen Ministerpräsidenten Begin und den ägyptischen Staatspräsidenten Sadat über Fragen wie: Welcher Resolutionsentwurf bietet die beste Grundlage für die weiteren Verhandlungen? In welchem Umfang sollen militärische Truppen zur Überwachung der neu ausgehandelten Grenze zwischen den beiden Staaten zugelassen werden?

MUNs schärfen den Blick für die realen Vorgänge in der Weltpolitik. Aufnahme der Camp David-Verhandlungen mit (von links) Menachem Begin (Israel), US-Präsident Jimmy Carter und Anwar Sadat (Ägypten)

Den Blick schärfen

Die diplomatischen Simulationen schärfen den Blick für die realen Vorgänge in den Vereinten Nationen und in der Weltpolitik, ist Max Stern überzeugt. Man erkenne die grossen Anstrengungen auf dem Weg zu einer Resolution besser und verstehe die Enttäuschung, wenn die Staaten sich anschliessend nicht an die erzielten Abmachungen halten.

Nimmt an MUNs teil, wer später selber in die Diplomatie eintreten will? Max Stern und auch andere Studierende des MUN-Teams der UZH können es sich durchaus vorstellen. Unkritische UNO-Anhänger sind sie deswegen aber nicht. An MUNs werde durchaus auch über den Reformbedarf der Vereinten Nationen diskutiert, so Max Stern. Er ist aber überzeugt: «Die UNO ist eine grossartige Organisation, weil sie die Möglichkeit bietet, weltweite Probleme in einem globalen Rahmen zu besprechen.»

Noch hartnäckiger werden

Mit der Leistung des UZH-Teams in Den Haag ist Max Stern sehr zufrieden: «Wir konnten unsere Position überall ins Gespräch bringen und in mehreren Gremien auch Akzente setzen bei der Ausformulierung der Resolution.»  Was die Camp David-Verhandlungen anbelange, so sei das erreichte Friedenssabkommen in gewissen Punkten sogar detaillierter ausgefallen als das historische Pendant von 1978.

Verbesserungspotenziel für zukünftige MUNs sieht Max Stern bei den Englischkenntnissen, die es zu perfektionieren gelte, um mit den Studierenden englischer Muttersprache mithalten zu können: «Und ein nächstes Mal werden wir noch etwas hartnäckiger und selbstsicherer in die Verhandlungen gehen.»

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