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Plastizität des Gehirns

Neues internationales Zentrum für Altersforschung eröffnet

Potenzial und Plastizität des alternden Gehirns stehen im Fokus eines neuen Forschungszentrums an der Universität Zürich (UZH). Neuropsychologe Lutz Jäncke und Gerontologe Mike Martin legen damit den Grundstein für eine international ausgerichtete Altersforschung mit bildgebenden Verfahren.
Marita Fuchs

Forschungsduo Lutz Jäncke (rechts) und Mike Martin: «Das Lern- und Wissenspotenzial älterer Menschen ist deutlich grösser, als man allgemein annimmt.»

Die UZH-Professoren Lutz Jäncke und Mike Martin haben dank einer grosszügigen Unterstützung durch die Velux-Stiftung am 1. Oktober ein neues Zentrum unter dem Namen «International Normal Aging and Plasticity Imaging Center (INAPIC)» gegründet. Die beiden Initianten des Zentrums, Neuropsychologe der eine und Gerontologe der andere, schlagen damit eine Brücke zwischen ihren Wissenschaftsbereichen. «Es geht darum», erklärt Mike Martin, «den normalen und nicht den kranken Alterungsprozess zu erforschen.»

Das Gehirn: Ein nutzungsabhängiges Organ

Auf dem Tisch im Büro von Lutz Jäncke liegt ein Keramikmodell des menschlichen Gehirns. «Das ist ein Asservat aus meiner Zeit an der Universität Magdeburg», erklärt er. «Das Gehirn ist eine Lernmaschine und hat ein ungeheures Potenzial, sich immer wieder neu zu strukturieren», erklärt der Neuropsychologe.

Aber gilt das auch für das alternde Gehirn? Schliesslich nehmen doch die geistigen Fähigkeiten ab, je älter wir werden. Mike Martin wehrt ab. «Über das alternde Gehirn weiss man noch relativ wenig, es ist kaum erforscht.» Doch auch für den alten Menschen gelte: Lernen verändert die Nervenverbindungen im Gehirn. Bei Nichtgebrauch bestimmter psychischer Funktionen kann es zu einer reduzierten beziehungsweise negativen Plastizität des Gehirns kommen: Wer rastet, der rostet.

Altern ist kein Schicksal

Im Lichte dieser Erkenntnisse könnten viele Alterungsprozesse, und hier insbesondere geistige Leistungen, anders als bislang interpretiert werden: Reduzierte Gedächtnisleistungen zum Beispiel seien nicht zwangsläufig auf das zunehmende Alter zurückzuführen, sondern schlichtweg auf den Nichtgebrauch kognitiver Funktionen. «Altern ist kein Schicksal», sagt Martin. Daraus könnten Vorschläge für andere Formen des Älterwerdens abgeleitet werden. Ein Ratschlag wäre zum Beispiel, bis ins hohe Alter kognitiv aktiv zu bleiben und nicht – wie vielfach praktiziert – das zu pflegen, was man bereits kann und automatisiert hat.

Um diese Thesen auch wissenschaftlich zu belegen, sind sowohl anatomische als auch psychologische Verlaufsuntersuchungen geplant. In einer grossen Langzeitstudie wollen Jäncke und Martin anhand bildgebender Verfahren der Plastizität alternder Gehirne auf die Spur kommen.

Kann Ängste wecken: Ruhiges Liegen für den perfekten Hirnscan. Hier im Scannersimulator.
Aktive Probanden

Dazu nehmen Probanden beispielsweise an einem intensivem Sport-, Musik- oder kognitiven Training teil. Vor, während und nach der Trainingszeit werden Bilder des Gehirns im Kernspintomografen (MRI) aufgenommen. Es soll sich dann zeigen, ob und wo sich durch das Training neue Synapsen und Strukturen im Gehirn bilden. Jäncke und Martin legen mit ihren Untersuchungen die Basis für einen Datenpool, der für andere Wissenschaftler von Interesse sein kann.

«Das Zentrum wird ebenfalls sehr von der Zusammenarbeit innerhalb des Psychologischen Instituts profitieren, wo es auch bis Ende des Jahres untergebracht sein wird», sagt Lutz Jäncke. Mehrere Lehrstühle am dortigen Institut unterstützen das neue Zentrum bereits jetzt schon personell und verstärken dadurch seine Hebelwirkung für die Forschung. Zudem lädt das Zentrum auch externe Forschungsgruppen ein, von der Infrastruktur des Instituts zu profitieren, denn das MRI-Gerät kann und soll vielfältig genutzt werden.

MRI-Feeling im Simulator ausprobieren

Damit die Probanden ein Gefühl dafür bekommen, wie es ist, in einem Tomografen zu liegen, haben sich die Forscher etwas Besonderes einfallen lassen: In einem Scannersimulator können Interessierte probeliegen. «Das gibt Sicherheit und baut eventuelle Ängste ab», sagt Mike Martin.

Für beste Qualität der Bilder sorge der Kernspintomograf des Zentrums, sagt Jäncke. Es sei wichtig, immer mit demselben Gerät eines Herstellers zu arbeiten, um Fehler oder Abweichungen zu vermeiden. «Wir wollen die geringste Varianz», erklärt Jäncke. Dank der Stiftungsgelder hätten sie einen modernen Kernspintomografen in Betrieb genommen. Mit solch einem Gerät werde auch die Mustererkennung auf den Bildern Fortschritte machen – ein weiterer Schritt auf dem langen Weg zur Entschlüsselung von Denkprozessen.