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Tierversuche

Bundesgericht wertet klinischen Nutzen höher als Grundlagenwissen

In der strittigen Frage der beiden Tierversuche mit Rhesusaffen an der Universität und der ETH Zürich hat das Bundesgericht seine zwei Urteile, die Versuche zu verbieten, begründet: Es wertet die Belastungen für die Tiere in Abwägung zum erhofftem Erkenntnisgewinn als unverhältnismässig. Damit stützt es den Entscheid der Vorinstanz.
Roman Klingler
Bundesgericht, Lausanne: In zwei konkreten Fällen zu wenige Gründe vorhanden für Versuche mit Rhesusaffen.

Seit der Veröffentlichung der beiden Urteile des Bundesgerichts in der Causa «Tierversuche mit Rhesusaffen» (siehe Kasten) am 7. Oktober 2009 ist bekannt, dass die Lausanner Richter den Argumenten der der Universität Zürich und der ETH nicht gefolgt sind.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte die kantonale Tierversuchskommission vor drei Jahren, als sie gegen die Bewilligung des kantonalen Veterinäramtes für zwei Versuche am Institut für Neuroinformatik rekurrierte. Danach beschäftigten sich die Zürcher Gesundheitsdirektion und das Verwaltungsgericht mit dem Dossier. Seit gestern weiss man nun auch, mit welchen Argumenten das höchste Gericht der Schweiz seine Urteile begründet.

«Reiner» Erkenntnisgewinn genügt nicht

Demnach sprechen gemäss Bundesgericht in beiden Fällen zu viele Gründe gegen und zu wenige für die konkreten Versuche mit Rhesusaffen. Das Gericht führt ins Feld, dass «nicht-menschliche Primaten eine sehr starke genetische und sinnesphysiologische Nähe zum Menschen aufweisen».

Zudem bestehe eine solche Nähe auch in Bezug auf die Würde der Kreatur und der Menschenwürde. Schliesslich fällt für die Richter ins Gewicht, dass in einem der Versuche eine grosse Anzahl von Affen, insgesamt 36, von den Versuchen betroffen gewesen wäre.

Demgegenüber liess sich das Bundesgericht nicht überzeugen von den Argumenten des Erkenntnisgewinnes. Einen solchen zogen sie zwar nicht in Zweifel, doch die alleinige Aussicht auf wissenschaftliche Erkenntnis kann gemäss Bundesgericht per se Tierversuche nicht rechtfertigen. Vielmehr: Wissenschaftliche Erkenntnis müsse ebenfalls gewichtet werden.

In beiden Fällen sei bestenfalls mit einem Kenntnisgewinn für eine klinische Anwendbarkeit in einer fernen Zukunft zu rechnen. Das Gericht kommt deshalb zum Schluss, dass in der Güterabwägung der Eingriff an den Tieren unverhältnismässig sei und deshalb den Versuchen zu Recht die Bewilligung verweigert wurde.

Kein generelles Verbot

Das Gericht macht anderseits aber auch klar, dass die Abweisung der beiden Beschwerden der Hochschulen kein absolutes Verbot von Versuchen mit nicht-menschlichen Primaten bedeute, sondern dass weiterhin in jedem einzelnen Fall die Interessen des Erkenntnisgewinns und des Tierschutzes gegeneinander abgewogen werden müssen. Das heisst: Weder Forschungsfreiheit noch Tierschutz haben per se Vorrang.

Das Gericht stellt auch grundsätzliche Überlegungen an zur Gewichtung des Kenntnisgewinns: So «ist die Erhaltung oder der Schutz des Lebens und der Gesundheit der Menschen gewichtiger als die Erkenntnisse über grundlegende Lebensvorgänge».

Oder anders formuliert: «Ein Tierversuch, der ‚nur’ Erkenntnisse über grundlegende Lebensvorgänge ohne Bezug zur menschlichen Gesundheit vorsieht, hat weniger Gewicht als ein solcher, der rudimentäre Erkenntnisse über die menschliche Gesundheit oder über Verringerungen menschlichen Leidens anstrebt.»

Universität und ETH Zürich akzeptieren selbstverständlich die neuen Rahmenbedingungen und werden sich in ihren Forschungsprojekten daran orientieren. Das Institut für Neuroinformatik wird weiterhin unbeirrt an der Klärung der fundamentalen Vorgänge im menschlichen Gehirns arbeiten – und damit letztlich auch zur Heilung und Linderung schwerer Krankheiten beitragen.

Für die Forschung mit Tierversuchen heisst dies, dass man künftig noch genauer den möglichen Nutzen für die Gesundheit oder die Leidensverminderung herausstreichen muss. Wo dies unmöglich ist, wird man wohl auf derartige Versuche verzichten müssen.