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Wissenschaftskommunikation

Forschen, lehren - und darüber sprechen

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sollten vermehrt den Kontakt mit der Öffentlichkeit pflegen, so das Fazit einer Tagung der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften.
Adrian Ritter

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Forschung und Lehre haben Priorität, zu den Aufgaben von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gehört es aber auch, über ihr Tun zu kommunizieren.

«Vergesst die NZZ», rief Wissenschaftsjournalist Beat Glogger die anwesenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf. Es solle nicht mehr das höchste aller Gefühle sein, einen Artikel in der renommierten Zürcher Tageszeitung zu platzieren.

Stattdessen solle man versuchen, in auflagenstarken Magazinen etwa von Migros oder Coop einer breiten Leserschaft die Wissenschaft verständlich zu machen. So wie es beispielsweise Nobelpreisträger Rolf Zinkernagel vor der Abstimmung über die Genschutzinitiative mit einer Kolumne im Blick getan habe.

Was gehört zur Aufgabe?

Aber ist das wirklich Aufgabe der Wissenschaft? Haben die Forschenden überhaupt die Zeit dazu? Andreas Fischer, Rektor der Universität Zürich, gab an einem der Podiumsgespräche zu bedenken, primäre Aufgabe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sei die Forschung und Lehre.

Wissenschaftskommunikation sei insbesondere die Aufgabe von dafür ausgebildeten Personen in Kommunikationsabteilungen von Universitäten und Wissenschaftsjournalisten in Medienhäusern. Klar ist für Fischer aber, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch direkt Auskunft geben sollen, wenn sie von Medien angefragt werden und die Frage in ihren Kompetenzbereich fällt.

Privileg verpflichtet

Sie erlebe dabei nicht immer die erwarteten offenen Türen, berichtete Maya Brändli, Journalistin bei Radio DRS2. An der Tagung waren sich die meisten Referierenden aus Kommunikationswissenschaft, Politik und Medien einig, dass die Information der Öffentlichkeit zur Aufgabe der Wissenschaftler gehöre.

Es sei ein Privileg, wissenschaftlich tätig zu sein und entsprechend bestehe eine Bringschuld an die Öffentlichkeit, so Prof. Stephan Russ-Mohl, Kommunikationswissenschaftler an der Università della Svizzera italiana. Wer auf öffentliche Gelder für weitere Forschung angewiesen sei, tue gut daran, über das eigene Tun zu sprechen, sagte Prof. Rudolf Minsch von economiesuisse.

Jeder ein begnadeter Kommunikator?

Ist es aber jedermanns Sache, mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren? Kann es jedermann lernen? NZZ-Wissenschaftsredaktor Christian Speicher erwähnte, dass er seine Auskunftspersonen nicht selten im englischsprachigen Raum suche, weil die dortigen Wissenschaftler geübter seien in der verständlichen Kommunikation.

«Jeder Wissenschaftler und jede Wissenschaftlerin muss fähig sein, auf verschiedenen Ebenen zu kommunizieren», betonte Dr. Daniel Höchli, Direktor des Schweizerischen Nationalfonds. Der SNF bietet denn auch seit Jahren Kommunikationskurse an.

Man könne von niemandem verlangen, dass er die gesamte Klaviatur des Mediensystems perfekt beherrsche, so Prof. Peter Suter, Präsident der Akademien der Wissenschaften Schweiz. Gleichwohl könne von allen Wissenschaftlern ein Beitrag zur Kommunikation mit der Öffentlichkeit erwartet werden: «Wer kein begnadeter Redner für ein Podiumsgespräch ist, kann sich in der Form eines Artikels zu Wort melden».

Die Kommunikation mit der Öffentlichkeit sollte schon früh in der wissenschaftlichen Laufbahn geübt werden, gab sich Nationalrätin Dr. Kathy Riklin überzeugt: «Ein Kommunikationstraining während des Studiums wäre wohl auch ein paar ECTS-Punkte wert.»

Fehlende Anreize

Dass es im derzeitigen Wissenschaftssystem an Anreizen fehlt für die öffentliche Kommunikation, war an der Tagung unbestritten. Zu lange galt eine Publikation in einem nicht-wissenschaftlichen Umfeld sogar als ruchbar und für die Karriere schädlich, wie anekdotisch berichtet wurde.

Daniel Höchli forderte, bei Berufungen neben Forschung und Lehre auch die Kommunikation mit der Öffentlichkeit angemessen zu berücksichtigen. Der SNF wolle dazu beitragen, das fehlende Anreizsystem zu korrigieren, indem den Akademikerinnen und Akademikern in Zukunft vermehrt Unterstützung angeboten wird, um die Kommunikation mit der Öffentlichkeit zu pflegen. Über eine entsprechende neue Initiative wird der SNF voraussichtlich im Herbst informieren.

Vertrauen schaffen

Wenn Können und Wollen vorhanden sind, so ist doch ein weiterer Faktor unabdingbar: Vertrauen zwischen Wissenschaft und Medien. Die Journalistin möchte auskunftsbereite Wissenschaftler, die sich verständlich äussern können. Die Wissenschaftlerin wünscht sich kompetente Gesprächspartner und möchte korrekt wiedergegeben werden.

Der Enttäuschung der Radiojournalistin über bisweilen verschlossene Türen in der Wissenschaft stand die Erfahrung eines Forschers gegenüber, bisweilen Medienanfragen zu erhalten, die nichts mit seiner Tätigkeit zu tun hätten, wenn etwa danach gefragt werde, warum ein bestimmter Mädchenname häufiger gewählt werde.

Publizistikwissenschaftler und Soziologe Prof. Kurt Imhof sprach in diesem Zusammenhang im Mediensystem von einem «Verlust an Wissen, wie man die Welt beobachten kann.» Die Tendenz zur Skandalisierung und Personalisierung sei ein Systemrisiko für die Demokratie, welche auf eine Qualitätspresse angewiesen sei.

Bei aller Kritik an der Skandalberichterstattung plädierte Beat Glogger doch dafür, die Wissenschaft sollte etwas mehr Verständnis haben für das Anliegen der Journalistinnen und Journalisten, Wissenschaft verständlich darzustellen: «Artikel dürfen nicht nur unterhaltsam sein, sie müssen unterhaltsam sein.»