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Regierungskommunikation

Die Kantone setzen auf Männer, aber kaum aufs Internet

Wenn die 26 Kantonsregierungen etwas mitteilen wollen, stehen ihnen fast immer Kommunikationsprofis zur Verfügung. Sie sind überwiegend männlich, etwas über 40 und gut gebildet, wie die Zürcher Medienforscherin Sabrina Baumgartner herausgefunden hat.
Marita Fuchs
Regierungsrat des Kantons Bern: Der Kanton Bern erliess als erster und zehn Jahre vor dem Bund ein Informations- und Öffentlichkeitsgesetz.

Wer wahrgenommen werden will, muss gut kommunizieren. Das gilt auch für Kantonsregierungen. Sabrina Baumgartner, Doktorandin am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich, hat die Regeln, die Organisation und die Instrumente der Regierungskommunikation der 26 Kantone analysiert.

Das Resultat: 73 Prozent der Medienverantwortlichen sind Männer. Davon kommen 34 Prozent aus dem Journalismus, 24 Prozent aus der Verwaltung und 18 Prozent aus der Privatwirtschaft. 67 Prozent der Befragten sind zwischen 37 und 57 Jahre alt. Das Durchschnittsalter beträgt 47 Jahre.

«Die Kommunikation von Regierungen ist in der Schweiz wie auch in anderen Ländern immer wieder Gegenstand öffentlicher Diskussionen», sagt Baumgartner. Zwar seien Regierungen gesetzlich zur Information verpflichtet und verfügen dazu über personelle und finanzielle Ressourcen, doch würden Umfang und Art der Kommunikation oft kritisiert.

Unterschiede zwischen Deutsch- und Westschweiz

Diese Kontroversen führten dazu, dass die Exekutiven sich vermehrt auf ausgebildete Medienexperten stützen und ihre Kommunikationswege und -formen in Leitbildern festlegen. «Wer was wann und wie sagen darf, ist vor allem in den bevölkerungsreichen Kantonen genau festgelegt.»

Sabrina Baumgartner: Kantone kommunizieren vor allem über Medienmitteilungen und -konferenzen.

Die Regelungsdichte ist laut Baumgartner in den französischsprachigen Kantonen stärker ausgeprägt als in der Deutschschweiz. Zudem hat im Welschland der Staatsschreiber, neben seiner Funktion als Stabschef, in der Kommunikation gegen aussen nach wie vor eine starke Stellung. In der deutschsprachigen Schweiz hingegen sei dies nur noch in wenigen kleineren Kantonen der Fall, wie etwa in Appenzell Inner- und Ausserrhoden, Ob- und Nidwalden oder Schwyz.

In grossen Kantonen wie Zürich, Thurgau oder St. Gallen ist der Staatsschreiber (je nach Kanton auch Land- oder Ratsschreiber genannt) nicht mehr selbst in die Regierungskommunikation involviert. An seine Stelle sind Kommunikationsabteilungen getreten, die durchschnittlich mit 4,2 Personen dotiert sind.

Kanton Bern als Vorreiter

Dass die Kantone vermehrt Kommunikationsabteilungen geschaffen haben, hängt mit negativen Erfahrungen aufgrund schlechter oder fehlender Kommunikation zusammen, wie Baumgartner vermutet.

Ein Paradebeispiel ist der Kanton Bern. 1984 wurde er von einem Finanzskandal gebeutelt und stand gleichzeitig mit dem neu gegründeten Kanton Jura im Dauerstreit. Als Reaktion darauf erliess er als erster Kanton ein Informations- und Öffentlichkeitsgesetz mit entsprechenden Kommunikationsrichtlinien.

Zu vermuten ist auch, dass die Zunahme von Regeln und der Ausbau von Kommunikationsabteilungen in den letzten 20 Jahren zu einer offensiveren Informationspolitik geführt haben. Studien dazu gibt es aber nicht.

Baumgartners These: In grossen Kantonen, in denen vergleichsweise oft Initiativen und Referenden eingereicht werden, ist die Regierungskommunikation stärker ausgebildet als in kleinen Kantonen, in denen alle relevanten Gruppen Zugang zur Regierung haben. Denn dort sind die Kommunikationswege zur Regierung viel direkter als in bevölkerungsreichen oder grossen Kantonen wie Genf oder Zürich.

Keine Interaktionen via Internet

Wollen Kantone etwas mitteilen, tun sie das am häufigsten via Medienmitteilung oder Medienkonferenz. Instrumente wie Sponsoring, Vorträge, Plakate und Inserate, Direct Mailings, Begegnungen mit der Bevölkerung, Ausstellungen und Radio- oder TV-Spots werden nur selten eingesetzt.

Überraschend: Die Bedeutung des Internets als eigenständiges Kommunikationsinstrument ist gering. «Das Web wird genutzt, um Medienmitteilungen zu veröffentlichen oder Dokumentationen für Journalisten zur Verfügung zu stellen», sagt Baumgartner. «Von interaktiven Austauschformen, wie etwa Blogs, wird kein Gebrauch gemacht».

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