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Toxikologie

Chemie des Todes

In der voll besetzten Aula hat sich am vergangenen Freitag Prominenz aus dem Polizei- und dem Justizdepartement und der Universität Zürich eingefunden, um an der Abschiedsveranstaltung für den Gerichtschemiker Peter X. Iten teilzunehmen. Launig blickte Iten auf ein langes Kriminalistenleben zurück.
Marita Fuchs
Bevor Peter X. Iten seine Stelle als Toxikologe am Institut für Rechtsmedizin der UZH antrat, arbeitete er neun Jahre bei der Kantonspolizei Zürich und war dort zuständig für Tatortarbeit und Spurensicherung.

Eine Frauenleiche liegt tot auf welkem Laub, merkwürdig schlaff und verkrümmt. Peter X. Iten erläutert anhand der Fotoaufnahme, dass die Frau mit Curare vergiftet wurde, einem indianischen Pfeilgift, das die Atemmuskulatur lähmt und zu der eigenartigen Haltung führte. An seiner Abschiedsveranstaltung zeigte der Toxikologe das Mordopfer als ein Beispiel vieler Todesfälle, an deren Ursachenklärung er beteiligt war.

Iten kennt die Kriminalistik von der praktischen und der wissenschaftlichen Seite her: Bevor er seine Stelle als Toxikologe am Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich (UZH) antrat – das war vor 23 Jahren –, arbeitete der promovierte Chemiker neun Jahre bei der Kantonspolizei Zürich und war hier zuständig für Tatortarbeit und Spurensicherung.

Verdeckte Aktionen

Mutig sei er gewesen, lobte sein ehemaliger Weggefährte bei der Kantonspolizei, Kommissar Rolf Schläpfer: In einem Fall von illegalem Uranhandel, sei Iten kurzerhand als Scheinkäufer aufgetreten und habe durch die verdeckte Aktion dazu beigetragen, die Täter zu schnappen.

39 Jahre Kriminalist: Gerichtschemiker Peter X. Iten (zweiter von rechts). Rechts neben ihm: Professor Walter Bär, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin.

«Ich habe eine unglaublich interessante Zeit gehabt», sagte Peter X. Iten rückblickend. Er erzählte aus seinem Berufsleben unter dem Titel: «(M)ein Leben als Kriminalist. Erlebt, erfahren, erfunden». Dabei verriet er auch, welches Gift den Toxikologen besonders viel Kopfzerbrechen bereitet, weil sich die Substanz nur schwer nachweisen lässt: das Gift der Pater-Noster-Erbse.

Monatelange Tüftelarbeit

Um den Nachweis von Giften im Körper zu erbringen, ist zuweilen viel Vorarbeit nötig. So zum Beispiel im Fall des so genannten «Todesengels von Luzern». Ein Pfleger hatte mehrere Jahre lang in Pflegeheimen über zwanzig Patienten ermordet, einigen verabreichte er eine tödliche Substanz. Als das Delikt ans Tageslicht kam, waren einige Opfer schon Jahre zuvor beerdigt worden und mussten für die Obduktion exhumiert werden. Iten und sein Team tüftelten mindestens einen Monat, bis sie die tödlichen Substanzen in den Gewebeüberresten nachweisen konnten. Eine akribische Detektivarbeit.

Neue Möglichkeit der Identifizierung

Dass seine Tätigkeit auch emotional belastend war, verschwieg Iten nicht. Eine Serie von Kindstötungen in der 70-er Jahren rüttelte damals die Öffentlichkeit auf. Auch für den Toxikologen war es schwer, die Kinderleichen zu bergen und anschliessend zu identifizieren. Iten entwickelte damals – DNA-Analysen waren noch nicht bekannt – eine Methode, anhand derer bestimmte Messpunkte am Schädel mit dem Foto des Opfers in Beziehung gesetzt wurden. Aufgrund dieses damals neuen Verfahrens liessen sich die Opfer identifizieren. «Von solchen Situationen muss man sich emotional freimachen», resümierte Iten. Das gelang ihm nicht immer; etwa wenn er es mit zerstückelten Leichen und totgeprügelten Menschen zu tun hatte.

Peter X. Iten: «Ein gutes Glas Wein bewahrt vor dem Älterwerden, besonders hinter dem Steuer.»

Wider die Grauzone beim Fahren

1986 verliess Iten die Polizei und arbeitete von da an am Rechtsmedizinischen Institut der UZH. Hier machte er sich vor allem einen Namen bei der Schaffung praktikabler Grenzwerte wegen «Fahrens in angetrunkenem Zustand» und wegen Verdachts auf «Fahren unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss», wie Professor Walter Bär, Direktor des Instituts für Rechtsmedizin ausführte.

Einflussreiches Buch

Aus seiner Arbeit erstellte Iten das Buch «Fahren unter Drogen- und Medikamenteneinfluss», das zum Klassiker avancierte und in der Fachwelt häufig zitiert wurde.

Anfang dieses Jahres publizierte Iten zwei öffentlich stark beachtete Studien, welche die drei von der Polizei in der Schweiz am häufigsten verwendeten Atem-Alkoholmessgeräte auswertete. Sein Fazit: Die mit den Atemtests ermittelten Blutalkoholwerte sind ungenau, die Streuung ist zu gross und die Messwerte sind zu tief.

Mit einem Schmunzeln

Nach 39 Jahren Arbeit als Kriminalist zeigt sich Iten nun als ein Mann, der eine abgeklärte Gelassenheit ausstrahlt; die Sorte Fältchen um seine Augen kommen eher vom Schmunzeln als vom Grämen.