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Kinderbetreuung

Ade Rämi-Chindsgi

Ende Juli schliesst nach 30 Jahren der «Rämi-Chindsgi», die älteste Kindertagesstätte an der Universität Zürich. Die aktive Elternmitarbeit gehörte zum Konzept, war jedoch vielen Eltern mit der Zeit zu aufwändig. UZH News wirft einen Blick zurück in die Zeiten des Experimentierkindergartens.
Marita Fuchs

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Rämi-Chindsgi: Seit 1988 ist er im Parterre des Gebäudes an der Plattenstrasse 45 beheimatet. Ende Juli wird er geschlossen beziehungsweise ins kihz-Angebot integriert.

Kochen, putzen, einkaufen, das Finanzielle regeln. Etwa einen Vormittag alle zwei Wochen hat ein Elternteil im Rämi-Chindsgi mitgeholfen, um den Betrieb zu gewährleisten. Mutter oder Vater unterstützten die Kindergärtnerin, die sich pädagogisch um die Drei- bis Siebenjährigen kümmerte.

«Die Elternarbeit ist zwar anstrengend, aber es ist interessant, das eigene Kind in der Gruppe zu erleben», blickt Sandra Ohle, Mutter des sechsjährigen Philipp und Präsidentin des Rämi-Chindsgis, zurück. Und auch die Kleinen schätzten es, wenn Mami oder Papi das Mittagessen kochte und es deshalb besonders gut schmeckte. «Durch die Elternarbeit entstand ein Gemeinschaftsgeist, der uns fast zu einer Familie machte», berichtet die langjährige Kindergärtnerin Heidi Mascanzoni (hören Sie dazu das Interview mit Heidi Mascanzoni, nach diesem Absatz).

Interview

Interview mit der langjährigen Rämichindsgi-Kindergärtnerin Heidi Mascanzoni (11 min.)

Doch diese Zeiten sind nun vorbei. «Wir mussten in den letzten Jahren werben, bis wir zwölf Kinder für die Gruppe zusammen hatten, trotz der – im Vergleich zu städtischen Krippen – günstigen Gebühr von maximal 850 Franken im Monat», erzählt Sandra Ohle. «Die Pensionierung von Kindergärtnerin Heidi Mascanzoni Ende Juli 2009 ist nun der Anlass, den Rämi-Chindsgi zu schliessen.»

Der Geist der Kinderladenbewegung

Das Konzept der aktiven Elternarbeit entspricht nicht mehr dem Zeitgeist. Aktive Teilnahme der Eltern an der pädagogischen Ausrichtung der Krippe war jedoch entscheidend für die Kinderladenbewegung der 1970-er Jahre, in deren Tradition auch der Rämi-Chindsgi steht. Unter einem Kinderladen versteht man einen selbstverwalteten Kindergarten, der von Elterninitiativen getragen wird.

Der Rämi-Chindsgi wurde 1970 von einem privaten Elternverein gegründet und als Universitäts-Kindertagesstätte zunächst an der Rämistrasse 66 untergebracht. Er entstand auf Initiative der Studentenschaft und trug den Bedürfnissen der Studierenden und des akademischen Mittelbaus nach Kinderbetreuung in einem pädagogisch überzeugenden Rahmen Rechnung.

Die Universität unterstützte die Krippe von Anfang an bis heute, indem sie kostenlos die Räumlichkeiten zur Verfügung stellte. Ab 1988 zog der Rämi-Chindsgi zusammen mit einer weiteren Krippe in ein Gebäude an der Plattenstrasse 45, wo er bis zu seiner Schliessung beheimatet war.

Gegen autoritäre Strukturen

Überschaubare, altersgemischte Kindergruppen und die Elternarbeit gehörten zum Konzept des Rämi-Chindsgis. Wie in anderen Experimentierkindergärten dieser Zeit standen zudem die freie Entfaltung der Kinder im Spiel und ihre Bedürfnisse nach Erforschung und Aneignung ihrer Umwelt im Vordergrund.

Wie das konkret aussehen sollte, diskutierten die Eltern an langen Elternabenden, wie alte Protokolle zeigen. So meldete sich ein Vater im Jahr 1974 zu Wort: «…Kritik der Eltern am pädagogischen Konzept wird selten geäussert, sie taucht jedoch in vielen Privatgesprächen auf. Warum? Meine Interpretation: Wir entwickeln durch unser Verhalten im Chindsgi ähnliche Strukturen, wie wir sie an öffentlichen Institutionen kritisieren, nämlich Autoritätsstrukturen.»

Flexible Öffnungszeiten gefragt

Heute werde nicht mehr so viel Grundsätzliches diskutiert, meint Rämi-Chindsi-Präsidentin Sandra Ohle, die mit ihren drei Kindern und einer Anstellung als Ärztin ziemlich ausgelastet ist. Oft sei es an den Elternabenden um Organisatorisches gegangen. Und eigentlich seien alle sehr glücklich gewesen mit der Arbeit der Kindergärtnerin.

In die Räume des Rämi-Chindsigs zieht nun eine zweite Kindergruppe eines Tageskindergartens der Stiftung Kinderbetreuung im Hochschulraum (kihz). Die Stiftung kihz ist im Jahr 2002 gemeinsam von der Universität Zürich und der ETH Zürich gegründet worden und bündelt die Kinderbetreuungsangebote auf dem Hochschulplatz.

Die Geschäftsleiterin der kihz, Ria-Elisa Schrottmann, beschreibt die Bedürfnisse und Ansprüche heutiger Eltern an die Kinderbetreuung so: «Eltern sind froh, wenn sie ihre Kinder gut untergebracht wissen. Sie suchen nach guten Kindertagesstätten, möchten aber nicht mehr mitarbeiten. Der Kindergarten der Zukunft muss Eltern stärker entlasten und darf sie zeitlich nicht belasten.»

Gefragt seien heute vor allem flexible Öffnungszeiten, die sich an die Arbeitszeiten der Familien anpassen. Viele Eltern wünschten sich bis zu zwölf Betreuungsstunden, die ohne Absprache täglich anders beansprucht werden können.