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Right Livelihood Lecture

Wann haben sie zuletzt vergewaltigter Frauen gedacht?

Mit der Right Livelihood-Lecture will der Studiengang Applied History der Universität Zürich engagierte und couragierte Persönlichkeiten vorstellen. Den Anfang machte die diesjährige Right Livelihood-Preisträgerin Monika Hauser.
Theo von Däniken

Die Trägerin des «Alternativen Nobelpreises», Monika Hauser, nimmt die Standing Ovation der bis auf den letzten Platz gefüllten Aula entgegen.

Eine Schweigeminute zu Beginn, eine Standing Ovation zum Abschluss: An der ersten Right Livelihood-Lecture an der Universität Zürich ging es feierlich und emotional zu. Das lag nicht nur an der Referentin, der soeben mit dem Right Livelihood Award geehrten Gynäkologin Monika Hauser, sondern auch am Thema, das im Zentrum stand: die Würde des Menschen

Die Schweigeminute, zu der Monika Hauser zu Beginn ihres Vortrages aufrief, galt den Frauen, die gegenwärtig im Konflikt im Osten Kongos täglich vergewaltigt werden. Die von Monika Hauser gegründete Organisation «medica mondiale» nimmt sich Frauen an, denen im Krieg und in Konflikten sexuelle Gewalt angetan wurde.

Wut über das Vergessen

Obwohl Vergewaltigung das am meisten verbreitete Verbrechen sei, stehe es kaum je im Fokus der Medien. «Wann haben sie zuletzt vergewaltigter Frauen gedacht?», fragte Hauser im Anschluss an die Schweigeminute. Ihre Wut nicht nur darüber, was den vergewaltigten Frauen angetan wurde, sondern auch darüber, dass sie von der Gesellschaft und von den Hilfswerken vergessen und alleine gelassen wurden, führte sie 1992, mitten im Krieg, nach Bosnien und Herzegowina.

Dort fand sie unter den Fachfrauen vor Ort rasch Partnerinnen, die hoch motiviert waren, sie bei ihrem Anliegen, der medizinischen und psychosozialen Betreuung der vergewaltigten Frauen, zu unterstützen. Aus diesem Engagement entstand «medica mondiale», eine Organisation, die heute in Afghanistan, Liberia und Kosovo Frauentherapiezentren betreibt und in weiteren Ländern Projekte mit lokalen Partnerorganisationen betreut.

Setzt ihre Wut in konstruktive Energie um: Right Livelihood Preisträgerin Monika Hauser.

Erniedrigender Umgang mit Opfern

Wut sei auch heute noch ihre Antriebskraft, erklärte Hauser, die aber keineswegs verbittert wirkt, sondern ihre Wut in konstruktive Energie umsetzt. Die Situation der Frauen habe sich trotz vermehrter Aufmerksamkeit gegenüber dem Problem nicht verbessert. Wütend macht Hauser etwa der Umgang mit vergewaltigten Frauen als Zeuginnen vor dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal für Ex-Jugoslawien in Den Haag.

Obwohl die Aussagen der Frauen entscheidend sind, damit die Täter für ihre sexualisierten Verbrechen verurteilt werden können, stellt die Behandlung vor dem Gericht für die Frauen eine weitere Erniedrigung dar. So werden sie in den Zeugenbefragungen mit zahllosen Details konfrontiert und ihre Glaubwürdigkeit wird in Frage gestellt. «Dabei besteht das Wesen der Traumatisierung gerade darin, dass sie den Opfern erlaubt, schreckliche Details zu vergessen», erklärte Hauser. Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt waren, seien die einzigen Zeuginnen, deren Glaubwürdigkeit vor dem Tribunal immer wieder in Frage gestellt werde.

Hilfe für die Täter, nicht die Opfer

Zudem gibt es keinen physischen Schutz der Frauen, wenn sie nach der Zeugenaussage in ihr Land zurückkehren. Oft sei es gar so, erzählte Hauser, dass die Opfer und Täter im gleichen Flugzeug nach Sarajevo zurückgeflogen würden. In Ruanda erhielten zwar die HIV-positiven Täter teure AIDS-Medikamente, den von ihnen mit dem HI-Virus angesteckten Zeuginnen werden diese aber verwehrt.

«Nicht die Krisen sind das grosse Problem, sondern dass wir sie nicht lösen»: Right Livelihood Gründer Jakob von Uexküll.

Gestalterinnen und Gestalter einer besseren Welt

Für ihre Arbeit war Monika Hauser am vergangenen Montag in Stockholm mit dem diesjährigen Right Livelihood Award ausgezeichnet worden. Der Preis, der seit 1980 jedes Jahr von der gleichnamigen Stiftung verliehen wird, gilt als «alternativer Nobelpreis». Für Stiftungsgründer Jakob von Uexküll zeigt der Preis, dass Lösungsmöglichkeiten für die drängenden Probleme der Welt vorhanden sind. «Der Right Livelihood Award ist dabei seiner Zeit voraus», sagte von Uexküll. So hat etwa die kenyanische Friedensnobelpreisträgerin von 2004, Wangari Maathai, genau zwanzig Jahre davor den Right Livelihood Award erhalten.

Von Uexküll sieht den Klimawandel als das zentrale Problem der Menschheit an, das alle anderen Probleme und Konflikte verschärfe oder ihre Lösung erschwere. Deshalb forderte er einen raschen Umbau der Energieversorgung auf erneuerbare Energien. «Nicht die Krisen sind das grosse Problem», meinte von Uexküll, «sondern, dass wir sie nicht lösen, obwohl wir das Wissen und die Möglichkeiten dazu hätten.»