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Swiss Computer Science Challenges Award

Surfen wie in Afrika

In Afrika oder China surft man auf dem Internet anders als in den USA; länderspezifisch ist auch die Handhabung von Software. Katharina Reinecke vom Institut für Informatik entwickelt Computerprogramme, mit deren Hilfe sich Software und Webseiten automatisch an kulturelle Vorlieben anpassen. Für ihre innovativen Ideen wurde sie mit dem «Swiss Computer Science Challenges Award» an der «Informatica 08» ausgezeichnet.
Marita Fuchs

Das Web ist «world wide», es kennt kaum politische oder geografische Grenzen. Oder stimmt das gar nicht? Vergleicht man chinesische, indische oder europäische Webseiten fallen grosse Unterschiede in Gestaltung und Orientierungsschemata auf.

Webdesigner und Programmentwickler stehen vor der Herausforderung, ihre Angebote für das Ausland genauso erfolgreich wie für das Inland zu gestalten. Dabei reicht es nicht aus, die Texte in die jeweilige Landessprache zu übersetzen. «Eine Webseite oder eine Programmoberfläche, die den Anforderungen des jeweiligen Nutzers entgegenkommen will, berücksichtigt auch kulturelle Besonderheiten in Inhalt, Funktionalität und grafischer Gestaltung», erklärt Professor Abraham Bernstein vom Institut für Informatik der Universität Zürich. So sei zum Beispiel das Wahrnehmungszentrum einer Person, die von rechts nach links liest, anders ausgerichtet als beim von links nach rechts lesenden Europäer. Dem müsse bei der Gestaltung einer Navigation oder bei der Anzeige von Warnhinweisen Rechnung getragen werden.

Katharina Reinecke entwickelte eine Methodik, die Webseiten nach kulturellen Vorgaben umgestaltet.

Katharina Reinecke, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Bernstein, hat nun eine Methodik entwickelt, die den kulturellen Hintergrund des Benutzers aufnimmt, und Inhalte von Webseiten und Software nach kulturellen Vorgaben umgestaltet. Anhand vorgegebener Nutzer-Kriterien wie Mutter- und Zweitsprache, Wohnort, Religion, Alter, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe und Nationalität werden die Inhalte entsprechend angepasst. Katharina Reineckes Arbeit wurde am vergangen Freitag an der Informatica 08 mit dem «Swiss Computer Science Challenges Award» ausgezeichnet.

Lieber mit Avatar

Mit kulturell bedingten Unterschieden in der Handhabung von Software wurde Katharina Reinecke bei einem Studienaufenthalt in Ruanda konfrontiert. Sie stellte afrikanischen Agrarwissenschaftlern eine Lernsoftware vor, die ihnen bei der Arbeit mit den Bauern vor Ort helfen sollte. Doch welche Enttäuschung! Was sie vorher lange programmiert und gestaltet hatte, kam bei den jungen Ruandern gar nicht gut an: Viel zu viel Text auf der Seite, die Bilder zu klein und zu wenig emotional und die Hierarchien der Navigation zu kompliziert. «Die Studierenden wünschten sich einen programmgesteuerten Begleiter oder Avatar, der sie durch das Programm geführt hätte», erzählt Reinecke. Was also in Europa geschätzt wurde, war den Ruandern bei weitem zu nüchtern.

Bei amerikanischen Universitäts-Webseiten, hier Stanford, werden herausragende Einzelpersonen und Sportereignisse besonders hervorgehoben.

Ein Programm völlig neu zu programmieren ist teuer und bedeutet viel Aufwand. Nach ihrer Rückkehr aus Afrika machte sich Katharina Reinecke an die Arbeit: sie wollte Computer mit einer kulturellen Intelligenz ausstatten, mit deren Hilfe die Software auf afrikanische Bedürfnisse umgemünzt werden konnte, ohne das Programm völlig neu gestalten zu müssen. Dazu fühlte sie den Nutzern von Software in aller Welt auf den Zahn und klärte folgende Fragen: Welche besonderen kulturellen Unterschiede gibt es bei der Nutzung von Web-Seiten und Softwareprogrammen? Wie verhalten sich Nutzer in Amerika, wie in China oder Afrika?

Preisgabe von persönlichen Informationen in Italien kein Problem

Abgesehen davon, dass Webseiten in China bunt und blinkend sind, in den USA häufig emotional überhöht und in Europa eher ernst und schlicht, verhalten sich Nutzer auch unterschiedlich. So haben Benutzertests ergeben, dass Italiener und Engländer alle im Registrierungsformular gefragten Informationen ohne Bedenken offenbaren. Deutsche sind etwas weniger offenherzig und hinterfragen die Notwendigkeit der Angabe von Geburtsdatum und Postleitzahl. Inder geben nur dann Kreditkarteninformationen bekannt, wenn die Website so gestaltet ist, wie sie es gewohnt sind. Und was für den Inder oder die Inderin vertrauenswürdig ist, gilt noch lange nicht für einen deutschen Nutzer. Chinesen geben fast nie ihre echte E-Mail Adresse an; Geburtsdatum und Ortsangaben werden in der Regel erfunden.

Die Homepage der Universität Beirut widerspiegelt die Bedeutung von Autorität und Symbolen.

Websites von Universitäten im Vergleich

«Auch der Vergleich von Universitätswebseiten ist aufschlussreich», stellt Reinecke fest. Die Homepage der Universität Beirut spiegelt die Bedeutung von Autorität und Symbolen wieder. «Diese Seite hebt sich nicht nur durch die Erdtöne von westlichen Universitätsseiten ab, sondern auch durch das dominante Universitäts-Wappen. Auffallend ist auch, dass in der Navigation zuerst ‚The President's Letter‘ verlinkt ist – das findet man so nicht auf westlichen Universitätsseiten.» Anders amerikanische Universitäten: sie setzen auf Emotionen. «Den amerikanischen Seiten gemeinsam ist die ‚Story‘ – überall wird etwas über herausragende Einzelpersonen erzählt. Und die nächsten Sportevents auf der Startseite anzuzeigen (Stanford) ist bei uns wohl auch eher unüblich.»

Interkulturelle Kompetenz

Die Automatisierung des Design-Prozesses für unterschiedliche Kulturen konnte Katharina Reinecke nur erreichen, indem sie eine begrenzte Anzahl von Kulturspezifika wie Sprache, Wohnort, Auslandsaufenthalte, Religion und Ausbildung des Nutzers auflistete. Der Nutzer gibt seine Angaben ein und erhält eine auf ihn zugeschnittene Website oder eine entsprechende Programmoberfläche. Einmal identifiziert, müssen die Anpassungen der jeweiligen Website oder Software nämlich nur noch ‚übergestülpt‘ werden. Dass diese Cultural Markers auch eine Gefahr der Stereotypisierung in sich bergen, ist Reinecke durchaus bewusst. «Natürlich gibt es immer persönliche Unterschiede, die auf Dauer jedoch vom System aufgefangen werden, maschinelles Lernen macht dies möglich».

Mensch-Maschinen Interaktion verbessern

Es gehe darum, Systeme besser an Bedürfnisse und Empfindungen unterschiedlicher Kulturen anzupassen, betont Bernstein. Die Benutzerorientierung stehe im Vordergrund. Nur durch Methoden wie Benutzertests oder Nutzerbefragungen können auch Informationen über den Einfluss der Benutzerkultur und über das Zusammenspiel von Nutzer- und Website-Kultur gewonnen werden.