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cogito-Preis 2008

Vom Nutzen der Philosophie für die Naturwissenschaft

Zum vierten Mal hat die «cogito foundation» am Mittwoch an der Universität Zürich den cogito-Preis verliehen. Geehrt wurde mit Prof. Michael Esfeld ein Forscher, der sich mit den philosophischen Herausforderungen der Naturwissenschaften auseinandersetzt.
Theo von Däniken

Preisträger Michael Esfeld freut sich mit Simon Aegerter und Irene Aegerter, Präsident und Vizepräsidentin des cogito-Stiftungsrates, über den «cogito-Preis 2008».

Der diesjährige Preisträger Michael Esfeld, Professor für Wissenschaftsphilosophie an der Universität Lausanne und Leiter des Programmes «Epistemologie und Wissenschaftsgeschichte» der ETH Lausanne, sei einer der wenigen Philosophen, die sich mit den Auswirkungen der nichtklassischen physikalischen Einsichten wie der Quantenmechanik auf das Naturverständnis auseinandersetzten, begründete Christof Aegerter, Stiftungsrat der cogito foundation, die Auszeichnung.

Er gratulierte ihm zum Mut, sich in die Quantenmechanik einzuarbeiten und zollte – als Physiker - dem Philosophen für dessen Kenntnisse der Physik Respekt.

«Wozu brauchen praktizierende Naturwissenschaftler Philosophie? Und wozu brauchen praktizierende Philosophen Naturwissenschaft?» Um diese beiden Fragen drehe sich das Bemühen der cogito foundation, erklärte Aegerter. Der Preisträger Michael Esfeld befähige die nächste Generation von Philosophinnen und Philosophen, aber auch von Naturwissenschaftlerinnen und Ingenieuren, Antworten auf diese Fragen zu formulieren.

Kohärente Sicht der Welt

Einige dieser Antworten legte Esfeld in seinem Vortrag dar und skizzierte Möglichkeiten, wie die Philosophie mit den Herausforderungen umgehen kann, die sich durch die neuen Erkenntnisse in den Naturwissenschaften stellen. Denn Aufgabe der Philosophie sei es, auf Grundlage der Ergebnisse der anderen Wissenschaften eine vollständige und kohärente Sicht der Welt zu erreichen.

Verschiedene naturwissenschaftliche Theorien oder Erkenntnisse würden aber zentrale Überzeugungen unseres Weltverständnisses in Frage stellen. So stehe etwa die Erfahrung der Zeit als irreversiblen Fluss der Behandlung der Zeit in der allgemeinen Relativitätstheorie entgegen. Oder die Erkenntnisse der Neurobiologie stellten die Vorstellung in Frage, dass das Handeln von Gedanken, Empfindungen oder Absichten ausgeht.

Anhand dieser beiden Beispiele zeigte Esfeld auf, mit welchen Konflikten sich die Philosophie beschäftigen muss. Dabei geht es ihm darum, Wege zu finden, wie sich Konflikte zwischen der lebensweltlichen Erfahrung und der naturwissenschaftlichen Erkenntnis wieder in eine kohärente Sicht der Welt zusammenbringen lassen.

Theorie und Erfahrung

Der Philosophie kommt dabei für Esfeld eine wichtige Rolle zu, indem sie Vorschläge zum Verständnis der naturwissenschaftlichen Theorien entwickle und dabei die Spielräume nutze, den die Theorien offen liessen. So könne man aufgrund der allgemeinen Relativitätstheorie Modelle denken, in denen die Zeit eingefroren sei und keine Entwicklung passiere.

Ebenso seien aber Modelle denkbar, in denen es zeitlich gerichtete Prozesse und kausal aufeinanderfolgende Ereignisse gebe. Hier könne die Erfahrung der Zeit, die wir als gerichteten Fluss von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erleben, als Argument benutzt werden, um die Modelle auszuzeichnen, die ebensolches zuliessen.

«Philosophie hat eine unentbehrliche Funktion im System des Wissens und der Wissenschaften», folgert Esfeld. Denn jede wissenschaftliche Erkenntnis lasse einen Interpretations- spielraum offen. Um mit diesem Spielraum rational umgehen zu können, reichten die Kriterien des jeweiligen Spezialgebiets nicht aus. Dazu brauche es weiterer – eben philosophischer – Kriterien.

Weiterführende Informationen

Hinweis

Die Rede von Michael Esfeld anlässlich der Preisübergabe ist auch als Beitrag in der Reihe «Quo vadis universitas» erscheinen