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Studie zu Forschungsausgaben

Hirnforschung neu gewichten

Eine Studie der Universität Zürich belegt es: Mittel für die Hirnforschung in der Schweiz werden zu über 90 Prozent von der pharmazeutischen Industrie finanziert. Dadurch komme die Grundlagenforschung zu kurz, meinen die Projektverantwortlichen. Vor allem für die Erforschung psychiatrischer Erkrankungen müsse auf Dauer mehr getan werden.
Marita Fuchs

Wir werden immer älter, das ist schön. Mit dem Alter gehen jedoch unweigerlich Krankheiten einher. Häufig haben sie neuropsychiatrische Ursachen, wie zum Beispiel die Demenz. Aber auch Depressionen, Sucht- oder Angsterkrankungen gehören zu diesen Leiden, die nicht nur im Alter auftreten. Mit der demographischen Entwicklung bekommen sie jedoch mehr Gewicht und auf Dauer die Gesellschaft teuer zu stehen.

Auf dem falschen Gleis

Psychiatrische Erkrankungen verursachen in der Schweiz Kosten von 15 Mrd. Franken, was rund einem Sechstel der Gesundheitsausgaben entspricht. Dies konnten Professor Wulf Rössler und Matthias Jäger von der Klinik für Soziale Psychiatrie und Allgemeinpsychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik im Rahmen eines europäischen Forschungsprojekts zu Beginn des Jahres belegen.

Jede fünfte Person in der Schweiz ist von einer neuropsychiatrischen Krankheit betroffen.

In einer Folgestudie weisen die Wissenschaftler nun nach, dass in der Schweiz die Erforschung psychiatrischer und neurologischer Erkrankungen mit lediglich zwei Prozent aus öffentlichen Mitteln bezahlt wird. Der weitaus grösste Teil wird hauptsächlich durch die pharmazeutische Industrie finanziert.

«Das bringt die Forschung auf ein falsches Gleis», meint Matthias Jäger, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Mit-Autor der Studie. Denn die pharmazeutische Industrie habe ihre eigenen Schwerpunkte und investiere zum Beispiel viel in die Forschung für medikamentöse Behandlung von häufig vorkommenden Erkrankungen wie Depression und Angststörungen. «Schliesslich wollen die Pharma-Unternehmen auch Medikamente verkaufen. Beispielsweise ist die Erweiterung der Einsatzgebiete von Neuroleptika auf affektive Störungen – wie Manien und Depression – für die Firmen interessant», sagt Matthias Jäger.

Relativ seltene Krankheitsbilder wie Schizophrenie kommen dagegen nach Meinung von Jäger in der Forschung zu kurz. Er plädiert dafür, mehr öffentliche Mittel für die psychiatrische und neurologische Forschung bereit zu stellen. «Zwei Prozent öffentlicher Mittel sind zu wenig, angesichts der Tragweite neuropsychiatrischer Krankheiten». Psychische Erkrankungen haben überdies hohe Rückfallraten und häufig chronische Verläufe. Zudem müsse auch mehr in die Grundlagenforschung investiert werden, meint Jäger: «Denn wir wissen eigentlich sehr wenig über das Gehirn.»

Briten an der Spitze

In Grossbritannien zum Beispiel sieht die Situation anders aus: Die Engländer stehen an der Spitze in Europa und investieren den höchsten Betrag öffentlicher Gelder in die Hirnforschung, etwa 500 Millionen Franken, die Schweiz steht an Platz 11 mit etwa 14 Millionen Franken. Zusammen mit den privaten Geldern werden in der Schweiz pro Jahr insgesamt 630 Millionen Franken für die Erforschung von psychiatrischen und neurologischen Erkrankungen ausgegeben.

Am besten finanziert – im Verhältnis zu den Krankheitskosten, die sie verursachen – ist die Forschung im Bereich des Morbus Parkinson (24 Prozent der Krankheitskosten), gefolgt von Schlaganfall (14 Prozent) und Epilepsie (13 Prozent). Am wenigsten Forschungsgeld im Verhältnis zu den Krankheitskosten erhalten Schädel-Hirn-Traumata und die meisten psychiatrischen Erkrankungen (0,5-3 Prozent). «Gerade für die Erforschung dieser Krankheiten muss mehr getan werden», so das Autorenteam.

Der Vergleich von Forschungsgeldern und Kosten diene lediglich als Richtlinie, sagt Matthias Jäger. «Wir wollten anhand eindeutiger Zahlen die Schere aufzeigen, die sich zwischen den Kosten für psychiatrische Erkrankungen und der Forschung über sie auftut».