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Psychotherapie

Machen Sie doch, was Sie wollen

Wie Patienten in der Therapie dazu kommen, auch wirklich das zu tun, was sie wollen, erklärte die Psychologin und Buchautorin Maja Storch an einem Kolloquium zum Thema «Haltungsziele in der Psychotherapie».
Brigitte Blöchlinger

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Herausfinden, wohin der Patient wirklich will: Dr. Maja Storch

Ihre ganze Körperhaltung drückt Zuversicht und Bodenständigkeit aus, wie sie da breitbeinig im grossen Kursraum der Psychiatrischen Poliklinik der UZH steht und die erste Folie mit dem Titel «Machen Sie doch, was Sie wollen» auf den Hellraumprojektor legt. Als jemand aus dem Publikum das Licht löscht, damit man die Folie besser lesen kann, interveniert Maja Storch: Sie werde nur wenige Folien zeigen, und das Wichtige sei der Dialog zwischen ihr und dem Publikum, deshalb das Licht bitte wieder anmachen.

Und so ist es dann auch: Der «Popstar des Beratungsgenres» (Zitat der «Süddeutschen Zeitung) richtete immer wieder Fragen an die Anwesenden (vorwiegend Psychotherapeuten) und erläuterte anhand der konkret genannten Beispiele den Mechanismus, welche Prozesse ablaufen müssen, damit Menschen ihre Vorsätze auch umsetzen können.

Sie wissen nicht, was sie wollen

Der erste Grund, weshalb Menschen nicht machen, was sie wollen (und weshalb sie dann Probleme bekommen und eine Psychotherapie anfangen), liegt darin, dass die meisten anfangs nur wissen, was sie nicht wollen: nicht mehr zuviel trinken, nicht mehr die Nerven verlieren, nicht mehr verletzbar sein zum Beispiel.

Diese so genannten Vermeidungsziele wirken sich im Gehirn aber kontraproduktiv aus: Um herauszufinden, ob eine Situation das zu Vermeidende beinhaltet, ist das Bewusstsein dauernd am Abchecken – und damit gerade mit dem Vermeidungsziel beschäftigt, das es zu überwinden hofft. Statt dass das Fehlverhalten geändert würde, prägt es sich noch stärker ins Bewusstsein ein.

In der Psychotherapie gehe es deshalb als erstes darum, so Maja Storch, herauszufinden, wohin ein Patient, eine Patientin wirklich wolle.

Genaues Wording

Beim Herausfinden, was jemand will, ist es wichtig, mit den Worten genau zu sein. Es gibt nämlich auch versteckte Vermeidungsziele wie beispielsweise «unverletzlich» sein wollen oder «die Unsicherheit ablegen». Beide Wörter aktivieren im Gehirn das Gefühl, das einem das Leben schwer macht (die Verletzlichkeit und die Unsicherheit). In der Psychotherapie gilt es deshalb als erstes, Vermeidungsziele durch Annäherungsziele zu ersetzen. Im genannten Beispiel: sich robust und sicher fühlen.

Doch aufgepasst: jedes Wort weckt bei jedem Patienten wieder andere Gefühlsnuancen im Körper (Embodiment). Der Patient muss zusammen mit der Therapeutin erst herausarbeiten, welche Formulierung des Annäherungszieles ihm am besten gefällt und sich am erstrebenswertesten anfühlt. Das erfordert ein «extremes Fein-Tuning», ein Abstimmen und Ausprobieren, bis der Patient mit Körper, Verstand und Gefühl einverstanden ist.

Intrinsisch motiviert zur Tat schreiten

Gelingt das nicht, kann es daran liegen, dass der Patient das zu wollen glaubt, was er wollen soll. Ein gutes Beispiel dafür ist das Annäherungsziel «Ich will schlank sein». Oft ist dieses Ziel von anderen, etwa von der Ärztin oder von Kollegen, als erstrebenswert hingestellt worden.

Ein Annäherungsziel muss aber unbedingt «auf dem eigenen Mist» gewachsen sein. Sonst wird der Abwägungsprozess, ob man jetzt Diät halten will oder nicht, ewig dauern, und der Patient wird sein Verhalten nicht ändern, was erneute Frustration bei ihm auslöst.

Aus neuer Haltung resultiert neues Verhalten

Bevor sich psychisch etwas ändert, muss der Patient den so genannten Rubikon-Prozess durchlaufen, führte Maja Storch weiter aus. Analog zum römischen Feldherrn Julius Cäsar, der beim Grenzfluss Rubicon eine längere Denkpause einlegte, muss auch jeder änderungswillige Patient erst einmal innerlich die Chancen und Risiken der Veränderung abwägen.

Meist dauert es eine Weile, bis «die Würfel gefallen sind» und die innere Überzeugung sich einstellt, dass man etwas Störendes ändern will. Mit diesem Entschluss verändert sich die Bewusstseinslage des Patienten fundamental (goal-shielding): Er wird in der Folge nur noch zielführende Informationen berücksichtigen und nicht zielführende Infos ausblenden.

Damit hat er psychisch «den Rubicon», eine Grenze, überschritten und ist fähig, intrinsisch (von innen heraus) motiviert die kleinen Schritte anzugehen und durchzuziehen, die es zur Verhaltensänderung braucht. Indem er seine eigene psychische Haltung gegenüber dem bestehenden Problem geändert hat, wird er fähig, auch sein Verhalten so zu ändern, wie er es möchte.