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Michael Hermann

«Fernsehauftritte sind ein Nervenkitzel»

Der Sozialgeograf Michael Hermann hat mit einem Atlas der politischen Landschaften die regionalen politischen Mentalitäten der Schweiz dokumentiert. Als Fachmann auf diesem Gebiet ist er gefragt bei Funk und Fernsehen.
Roger Nickl

Jeden Freitagabend kreuzen Politikerinnen und Politiker in der TV-Diskussionsrunde «Arena» die Klingen. Im Kampf um das bessere Argument als Experte immer wieder an vorderster Front mit dabei ist der 36-jährige Sozialgeograf Michael Hermann. Allein letztes Jahr hat Hermann an fünf Sendungen zu Wahlthemen teilgenommen. «So ein Fernsehauftritt ist ein ziemlicher Nervenkitzel», sagt der Wissenschaftler. «Man weiss nicht, wann man an die Reihe kommt und ist es dann so weit, muss man in wenigen Sekunden seine Position auf den Punkt bringen.» Da ist es von Vorteil, wenn man bei einem Thema absolut sattelfest ist. Und das ist Hermann.

Michael Hermann, Sozialgeograph an der Universität Zürich. Sein Ziel ist es, neue Sichtweisen auf die soziale Realität der Schweiz zu eröffnen.

Zusammen mit seinem Kollegen Heiri Leuthold hat er sich in den letzten Jahren mit politischen Analysen, aber auch mit geografischen Untersuchungen zur Siedlungsentwicklung in der Schweiz einen Namen weit über die Universität hinaus geschaffen. Eines der Steckenpferde von Hermann und Leuthold sind «mentale Landkarten», die das inhaltliche Profil von Politikerinnen und Politikern auf einen Blick deutlich machen und in der politischen Landschaft verorten. Während des letztjährigen Wahlkampfes zur Nationalratswahl etwa waren diese Grafiken und Analysen in den Schweizer Medien omnipräsent. Regelmässig erstellen die beiden Wissenschaftler auch einen weitherum beachteten Parlamentsspiegel, der das Stimmverhalten der Nationalrätinnen und -räte analysiert und sie in einem Themenraum irgendwo zwischen «Ausbau Sozialstaat» und «restriktive Ausländerpolitik» positioniert. Oder sie eruieren mit ihrer Firma sotomo GmbH, die dem Geografischen Institut der Universität Zürich angegliedert ist, im Auftrag von Parteien in Nachwahlanalysen die regionale Verteilung von Wählerinnen und Wählern.

«Mit Medienpräsenz kann man in der Wissenschaft nur wenig Lorbeeren ernten»

«Die Gesellschaft», erklärt Hermann seine Philosophie, «wartet nicht auf die Forschungsergebnisse der Wissenschaft, deshalb müssen wir uns bemühen, selber Themen in die öffentliche Diskussion einzubringen.» Hermann gibt Radiointerviews oder publiziert Beiträge etwa in der NZZ oder im Magazin des Tages- Anzeigers. Er schreibt über die Machtverhältnisse im Bundesrat, den Linksrutsch der CVP, Entwicklungsperspektiven der SP oder lotet den Spielraum einer Oppositionspolitik der SVP aus. «Ich versuche letztlich, den polemischen Anteil in den politischen Debatten zu senken und auf Grund von empirischen Daten den Sachanteil zu erhöhen», sagt Michael Hermann.

Die politischen Analysen der Sozialgeografen zeigen denn auch ein Bild der Schweizer Politik, welches das herkömmliche Links-rechts- Schema stark differenziert. Mit häufiger Medienpräsenz kann man in der Scientific Community in der Regel wenig Loorbeeren ernten. Was in der Wissenschaft zählt, sind die Veröffentlichungen in den einschlägigen Fachjournals. Michael Hermann stellt bei Forscherinnen und Forschern manchmal eine gewisse Doppelmoral fest: «Einerseits gilt die Publikation in einer Zeitung wenig; andererseits, ist dann einmal ein Artikel erschienen, hängt man ihn wie eine Trophäe an die Bürotür.» Michael Hermann könnte mit seinen Medienbeiträgen mittlerweile wohl bald sein ganzes Büro tapezieren. Und er kann sich rühmen, damit ein Stück politische Kultur und Diskussion in der Schweiz mitgeprägt zu haben.

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