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Ausstellung über Emil Staiger in der Zentralbibliothek 

Hochamt im Hörsaal

«Bewundert viel und viel gescholten» heisst die Ausstellung der Zentralbibliothek, die sich dem Leben und Wirken Emil Staigers widmet. Der berühmte Germanist lehrte von 1943 bis zu seiner Emeritierung an der Universität Zürich.
Marita Fuchs

Wer in den fünfziger Jahren die Vorlesungen von Emil Staiger hören wollte, musste um eine Platzkarte anstehen. Waren die begehrten Plätze in der Aula schon belegt, lauschte man der Übertragung in einem anderen Hörsaal. Emil Staiger, der Buhmann in der Germanistik der siebziger Jahre, war in den Fünfzigern ein Superstar.

Die Zentralbibliothek bewahrt den Nachlass von Emil Staiger auf und hat zum hundertsten Geburtstag des Schweizer Literaturwissenschaftlers eine Ausstellung konzipiert, in der viele Details Leben und Wirken Emil Staigers dokumentieren: Da ist zum Beispiel die kleine blaue Platzkarte für den Zutritt zum «Hochamt» zu sehen. So bezeichneten Insider Staiger’s Vorlesung um 11 Uhr in der Aula. Oder das Abiturzeugnis des begabten Schülers Emil, der nicht nur in Griechisch, Latein, Deutsch und Mathematik glänzende Noten aufwies, auch im Turnen steht ein «gut».

Vor hundert Jahren geboren: der Germanist Emil Staiger.

Originalton aus der Aula

An einem Terminal kann der Ausstellungsbesucher Emil Staiger sprechen hören und eine seiner Vorlesungen «live» miterleben. Für Germanisten, die Emil Staiger selbst erlebt haben, ist das eine kleine Reise in die Vergangenheit, und für diejenigen, die sich später mit seinen Werken befassten, bekommt er eine Stimme. «Die Zeit als Einbildungskraft des Dichters» (1939); «Grundbegriffe der Poetik» (1946), «Die Kunst der Interpretation» (1955) und sein methodisches Konzept, die so genannte «werkimmanente Interpretation» begründeten Staigers fachliche Bedeutung. Staiger – bekannt und verfemt wie kaum ein anderer Germanist des letzten Jahrhunderts – wird in der Ausstellung von verschiedenen Seiten beleuchtet und ein Stück weit lebendig und greifbar.

Der Zürcher Literaturstreit

Staigers pauschaler Angriff auf die zeitgenössische Literatur kann im Original nachgelesen werden. Diese Rede machte ihn zur Feindfigur der Studierendenbewegung und löste den sogenannten «Zürcher Literaturstreit» aus, der lange die wissenschaftliche Diskussion in der Germanistik beherrschte. Ausgangspunkt des Streites war seine Dankesrede für die Verleihung des Literaturpreises der Stadt Zürich am 17. Dezember 1966. Er warf dabei den modernen Schriftstellern vor: «Wenn solche Dichter behaupten, die Kloake sei ein Bild der wahren Welt, Zuhälter, Dirnen und Säufer Repräsentanten der wahren, ungeschminkten Menschheit, so frage ich: In welchen Kreisen verkehren sie? Gibt es denn heute etwa keine Würde und keinen Anstand mehr, nicht den Hochsinn eines selbstlos tätigen Mannes, einer Mutter, die Tag für Tag im stillen wirkt, das Wagnis einer großen Liebe oder die stumme Treue von Freunden? Es gibt dies alles nach wie vor.» Die Debatte um Emil Staiger wird in der Ausstellung anhand von Zeitungsartikeln und Zitaten dokumentiert.

Im Besucherbuch bedanken sich ehemalige Schülerinnen und Schüler für die Ausstellung und posthum bei ihrem Meister. Da heisst es beispielsweise: «Ich denke mit Dankbarkeit an Emil Staiger. Er hat meine Entwicklung grosszügig und verständnisvoll begleitet.»

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