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Integrative Humanphysiologie

«Der ganze Organismus muss ins Blickfeld gerückt werden»

Prof. Alexander Borbély, ehemaliger Prorektor Forschung und Dekan der Medizinischen Fakultät, ist einer der Gründungsväter des Zürcher Zentrums für Integrative Humanphysiologie (ZIHP). Das Zentrum fördert Forschung auf der Ebene der Moleküle, Zellen, Organe und des ganzen Organismus, um die komplexen Funktionen des menschlichen Körpers besser zu verstehen.
Magdalena Seebauer

Prof. Alexander Borbély: «Klinische Forschung und Grundlagenforschung laufen Gefahr auseinanderzudriften, wenn nicht eine ständige Interaktion stattfindet.»

Prof. Borbély, Sie haben sich selbst als “Grossvater des ZIHP” bezeichnet? Wie kam es dazu, dass Sie diese Initiative unterstützten?

Die Gründung eines Zentrums für Integrative Humanphysiologie wurde schon zu meiner Zeit als Dekan der Medizinischen Fakultät diskutiert. Es gab mehrere Treffen, um zu sehen, wie gross das Interesse war, und um die Ausrichtung zu diskutieren. Die Realisierung blieb jedoch Wunschdenken, bis die Möglichkeit der Bildung eines Universitären Forschungsschwerpunkts (UFSP) auftauchte.

Damals war ich Prorektor Forschung. Nachdem die Entscheidung der Universitätsleitung für die Bildung eines UFSP gefallen war, hat Prof. Heini Murer dies in beispielhafter Weise organisiert. Daher ist er der Vater des ZIHP, ich betrachte mich vielleicht als den Grossvater.

Wie konnten Sie die Universitätsleitung überzeugen, die integrative Humanphysiologie als einen Universitären Forschungsschwerpunkt auszuwählen?

Es war von Anfang an klar, dass es im Bereich der Life Sciences zwei UFSP geben sollte. Das Functional Genomics Center Zurich hatte als gemeinsame Initiative der Universität und der ETH Zürich bereits erfolgreich zu arbeiten begonnen. Es war daher naheliegend, diesen Fachbereich durch die Kombination mit der Systembiologie zu stärken. Das führte zum UFSP "Functional Genomics and Systems Biology".

Integrative Humanphysiologie war ein willkommenes Gegenstück, da es eine Verbindung zur klinischen Forschung mit sich brachte. Eine weitere Überlegung war, dass die bestehenden Nationalen Forschungsschwerpunkte in Strukturbiologie und in Neurowissenschaften nicht dupliziert werden sollten.

Auch nach Ihrem Rücktritt sind Sie weiterhin für die Förderung von Spitzenforschung und für den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft engagiert. Was sind ihre gegenwärtigen Aktivitäten?

Zur Zeit bin ich Präsident der Leitungsgruppe des Nationalen Forschungsprogramms 57. Dabei untersuchen elf Schweizer Forschungsgruppen die Wirkung von elektromagnetischer Strahlung auf die Gesundheit und die Umwelt.

Weiter bin ich Präsident des Vereins «Forschung für Leben». Dieser Verein fördert den Dialog zwischen den Life Sciences und der Öffentlichkeit, beispielsweise durch das mobile Genlabor oder durch Diskussionsveranstaltungen zu ethischen Fragen. Über diese Aktivitäten bleibe ich mit der Universität verbunden.

Der Schlaf ist eines der Forschungsthemen am Zentrum für Integrative Humanphysiologie.

Was denken Sie über das Vorhaben des ZIHP, Forschung, die sich vom Labortisch bis zum Krankenbett erstreckt, zu fördern?

Das ist ein wichtiger Ansatz. Die Kliniker haben traditionell wenig Zeit und freie Kapazität für Grundlagenforschung. Klinische Forschung und Grundlagenforschung laufen Gefahr auseinanderzudriften, wenn nicht eine ständige Interaktion stattfindet. Das ZIHP ist ideal, um solche Interaktionen zu fördern. Das Physiologische Institut war beispielgebend, indem es klinisch-orientierten Forschungsgruppen Laborräumlichkeiten anbot.

Mit dem Ausbau des Irchel-Campus bis 2014 werden noch mehr klinisch-orientierte Forschungsgruppen hier angesiedelt werden können, um dadurch von gut ausgerüsteten Grundlageninstituten direkt zu profitieren. So kann eine kritische Masse erreicht werden, damit die Interaktionen erfolgreich sind. Im Rahmen des ZIHP sind diese Entwicklungen bereits im Gange. Ich habe mich sehr gefreut zu sehen, wie viele Kliniker und Klinikerinnen am letzten ZIHP-Symposium dabei waren.

Das ZIHP ist einzigartig in Europa. Was sind die Voraussetzungen für die Realisation eines solchen Zentrums?

Das ist schwierig zu sagen. In Zürich war die Erkenntnis der Physiologen wichtig, dass vermehrt der gesamte Organismus ins Blickfeld gerückt werden muss. Das war eine bemerkenswerte Einsicht, insbesondere da die meisten von ihnen anerkannte Experten im molekularer und zellulärer Physiologie sind. Weiter war ausschlaggebend, dass die Kliniker die Wichtigkeit eines systemorientierten, integrativen Forschungsansatzes erkannten. In Zürich haben speziell die Kardiologen und die Nephrologen Verbindungen zur Physiologie aufgebaut.

Wo sehen Sie das ZIHP in zehn Jahren? Wie könnte es sich positioniert haben?

Das ZIHP wird für eine erste Periode bis Ende 2008 über einen Universitären Forschungsschwerpunkt finanziert. Gegenwärtig ist eine Evaluation im Gange. Ich hoffe, dass das Zentrum weitergeführt wird, da grosse Erfolge vorzuweisen sind und der wissenschaftliche Beirat dem ZIHP sehr positiv gegenüber steht. Die Finanzierung in der jetzigen Form wird jedoch nicht unbeschränkt weitergeführt werden können. Die Etablierung der UFSP war eine einzigartige strategische Initiative der Universität Zürich.

Ein Hauptziel des ZIHP ist die Integration von Grundlagen- und klinisch-orientierter Forschung. Dies sollte auch ausserhalb eines UFSP weiterverfolgt werden können. Die dafür nötigen Gelder werden aus anderen Quellen beschafft werden müssen. Eine Beteiligung der ETH Zürich ist eine offene Frage, die bald diskutiert werden sollte. Dort gibt es immer mehr aktive Forschungsgruppen, die eine Verbindung zur medizinischen Forschung suchen. Dadurch würden längerfristige neue Perspektiven für das ZIHP eröffnet.

Sie haben einen Grossteil Ihres Lebens der Forschung gewidmet. Sie waren auch Dekan der Medizinischen Fakultät und Prorektor Forschung der Universität Zürich. Wenn Sie nochmals beginnen könnten, würden Sie es wieder machen?

Ich blicke zufrieden auf vier ausserordentlich interessante Jahrzehnte meines beruflichen Lebens zurück. Was ich vielleicht anders machen würde, wäre, mich vermehrt der klinischen Forschung zu widmen. Zu meiner Zeit war es schwierig, eine Forschungslaufbahn mit einer klinischen Tätigkeit zu kombinieren. Heute ist dies eher möglich, beispielsweise über das MD/PhD-Program.

Die letzten Jahre als Mitglied der Leitung der Medizinischen Fakultät und der Universität waren sehr interessant und herausfordernd, da in dieser Zeit gerade die Universitäten in der Schweiz autonom wurden. Das ermöglichte neue Initiativen wie die Einrichtung des Forschungskredits oder der Universitären Forschungsschwerpunkte.