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Drittmittel und Ethik

Welche ethischen und praktischen Fragen stellen sich, wenn universitäre Forschung von der Privatwirtschaft finanziert wird? Was sollte bedacht werden, wenn es sich dabei um klinische Studien handelt, die gemeinsam mit Pharmafirmen realisiert werden? Diesen Fragen widmete sich am Freitag ein Symposium der Ethikkommission der Universität, an dem unter anderem Ethikerinnen, Forscher und Pharmavertreter teilnahmen.
Ruth Jahn

Immer mehr universitäre Forschung finanziert sich über Drittmittel. Auch die Universität Zürich bemüht sich um Spender und Sponsoren. In den vergangenen Jahren hat das Gewicht von privaten Drittmitteln stetig zugenommen: Seit dem Jahr 2000 konnten die privatwirtschaftlichen Drittmittel der Universität Zürich inklusive diejenigen von Stiftungen und Legaten um 83% auf 65,1 Mio. CHF gesteigert werden, wie die Universität an der diesjährigen Jahresmedienkonferenz bekannt gab.

Prof. Dr. Anton Leist, Leiter der Forschungs- und Arbeitsstelle für Ethik der Universität Zürich, stellte aus Sicht des Ethikers Fragen zur fremdfinanzierten Forschung.

Das ruft die Ethik auf den Plan: Biomedizinische Forscherinnen und Forscher schienen die Verbindung zur Wirtschaft zu idealisieren, meinte Professor Anton Leist, Leiter der Arbeits- und Forschungsstelle für Ethik und Vorsitzender der Ethik-Kommission der Universität Zürich in seiner Einführung zu dem Symposium «Fremdfinanzierte Forschung am Menschen – Ethische Fragen». Interessenkonflikte würden somit quasi zum Programm erhoben.

Das Geld aus der Privatwirtschaft und besonders die Zustüpfe der Pharmaindustrie werfen Fragen auf – ethische wie praktische: Wie wird – trotz fremdem Geld – die Forschungsfreiheit gewährleistet? Welche Arten von Kooperationen sind überhaupt erwünscht? Und welche Spielregeln gelten bei der Zusammenarbeit?

Gemäss Herbert Reutimann, Geschäftsführer der Unitectra, hat die Universität Zürich im Jahr 2005 über ihre Technologietransferstelle Unitectra mit 268 Firmen Forschungsverträge in der Höhe von 31,5 Millionen Franken unterzeichnet. 102 davon betrafen so genannte Prüfarztverträge, das heisst klinische Studien am Menschen, die etwa Wirkung oder Indikationen eines Pharmakons testen und in Zusammenarbeit mit Pharmafirmen realisiert werden.

Knacknüsse in Forschungsverträgen

Unitectra ist ein Tochterunternehmen der Universitäten Zürich und Bern, das sich zusammen mit den Forschenden um die wirtschaftliche Umsetzung ihrer Forschungsergebnisse kümmert. Zudem bietet Unitectra den Forschenden Unterstützung beim Aushandeln von Forschungsverträgen mit externen Wirtschaftspartnern und der Gründung von Spin-offs. Häufigster Verhandlungspunkt bei der Kooperation mit den oftmals ausländischen Pharmafirmen ist laut Reutimann die Publikation: Zwar gingen die Unternehmen heute in der Regel mit der Universität einig, dass auch negative Ergebnisse von Studien publiziert werden müssen, aber immer wieder würden Firmen übertrieben lange Aufschübe der Veröffentlichung fordern.

Zweitens müsse oft erst geklärt werden, dass nicht der Prüfarzt, sondern die Universität Vertragspartnerin ist. Eine dritte Knacknuss der Verträge sind Haftungsfragen: Die Universität Zürich ist gemäss Reutimann in der Regel nur bereit, für grob fahrlässige Fehler gerade zu stehen, ansonsten haftet die Firma. Und punkto geistiges Eigentum gilt bei der Universität Zürich: Firmen haben nur Anspruch auf direkte Resultate, das Copyright auf Zusatzbeobachtungen dagegen können sie nicht reklamieren.

Professor Hans-Joachim Haug ist als Psychiater und Präsident der Kantonalen Ethikkommission im Bereich Psychiatrie/Neurologie mit beiden Seiten der Fragestellung vertraut.

Mehr Studien nötig

«Es sollte viel mehr pharmagesponserte Studien geben», sagte Professor Hans-Joachim Haug, ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Klinik Schlössli in Oetwil am See. Denn viele Medikamente kämen erst im «off-label use» zur Anwendung, das heisst für andere Indikationen, als sie zugelassen sind. Die Studien sollten deshalb laut Haug dringend auf andere Indikationen ausgeweitet werden. Haug, der auch Präsident der kantonalen Ethikkommission im Bereich Psychiatrie/Neurologie ist, kam in seinem Referat aber auch auf Probleme zu sprechen, welche die Rechte der Patienten bei klinischen Studien betreffen: Etwa die sprachlich schlechte Qualität der Patientenaufklärungsformulare oder die Tatsache, dass Firmen oft Einsicht in Originaldaten haben.

Professor Heinz-Georg Wieser von der neurologischen Klinik des Universitätsspitals berichtete über die langwierige Vorbereitungszeit einer gross angelegten Studie.

Als ethisch fragwürdig erachtete Haug auch die von der Pharmaindustrie gewünschte Placebokontrolle für einen Teil der Versuchsteilnehmenden. Und wenn in klinischen Studien «lediglich zwei gleich wirksame» Präparate verglichen würden, lege das die Frage nahe, ob es sich um eine Studie mit einer wirklich sinnvollen Fragestellung handle.

Gefahr der Voreingenommenheit

Schliesslich kamen auch zwei Forscher zu Wort, die grosse Erfahrung in der Kooperation mit Partnern aus der Industrie haben: Epilepsieforscher Professor Heinz-Georg Wieser von der neurologischen Klinik und Herzspezialist Professor Thomas F. Lüscher, Direktor der Klinik für Kardiologie des Universitätsspital Zürich. Wieser berichtete von der langen und von zahlreichen bürokratischen Hürden gekennzeichneten Vorbereitungszeit für eine genetische Studie mit einem grossen Datensatz und Blutproben von Patienten mit Schläfenlappenepilepsie.

Forschende müssen sich der Gefahr der Voreingenommenheit stets bewusst sein, erklärte Professor Thomas F. Lüscher, Direktor des Zentrums für Kardiologie des Universitätsspitals Zürich.

Der Kardiologe Lüscher hingegen warnte davor, die Kooperation mit der Pharmaindustrie zu verteufeln, denn auch sonst bestehe die Gefahr, dass Studienresultate voreingenommen beurteilt würden: «Der Bias lauert immer und überall», so Lüscher. Forschende hätten nicht nur wegen pharmafinanzierter Forschung zuweilen Interessenskonflikte, sondern beispielsweise auch aufgrund von persönlichen Hoffnungen und Erwartungen. Schliesslich seien auch noch so renommierte wissenschaftliche Zeitschriften bei ihren Auswahlkriterien Moden unterworfen. Entscheidend für die Qualität von klinischen Studien seien primär die Forschungsfrage und ihre Methodik, betonte Thomas F. Lüscher. Allerdings müssten sich Forschende ihrer offenen und versteckten Konflikte bewusst sein und diese auch entsprechend deklarieren.

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