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Heute Spitzenmedizin, morgen Routine

«Spitzenmedizin. Die Spitze des Eisbergs» heisst ein reich bebildertes Buch von Prof. Viktor E. Meyer (Editor). 29 Professoren der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich und Klinikdirektoren des Universitätsspitals zeigen darin auf, dass die (herausragende) Spitzenmedizin das Produkt einer komplexen Zusammenarbeit ist, von der alle, auch die Alltagsmedizin (der «unsichtbare» Teil des Eisbergs), profitieren.
Brigitte Blöchlinger

Zahlreich erschienenes Publikum an der Buchvernissage «Spitzenmedizin» im Careum-Bildungszentrum in Zürich; im Hintergrund eine der vielen anschaulichen  Abbildungen aus der neuen Publikation.

Die erste Herztransplantation war ein Ereignis, das sich fast so stark ins Gedächtnis der Menschen einprägte wie die erste Mondlandung. Solche spektakulären medizinischen Höchstleistungen seien aber nur die Spitze des Eisbergs, erklärte der emeritierte Mikrochirurg und Herausgeber Prof. Viktor E. Meyer an der Buchvernissage im Careum-Bildungszentrum in Zürich. Meyer, der 18 Jahre lang als Ordinarius für Chirurgie an der Universität Zürich und als Direktor der Klinik für Wiederherstellungschirurgie am Universitätsspital Zürich tätig war, ist denn auch überzeugt: «Die Spitzenmedizin von heute bildet die Grundlage der Alltagsmedizin von morgen.»

Den Wert definiert die Gesellschaft

Als vor einem Jahr der bildungspolitische Streit über die Verteilung der Spitzenmedizin in der Schweiz aufflammte, liess sich Viktor E. Meyer von Arztkollege und Verlagsinhaber Dr. med. Hans Rudolf Bosch (Kranich-Verlag) dazu anregen, eine fundierte Publikation zum Thema herauszugeben. Editor, Autoren und Verleger des Buchs sind sich denn auch einig, dass in der Spitzenmedizin «die bereits vorhandenen Stärken weiter zu entwickeln und nicht zu schwächen» seien, wie Meyer in der Einleitung schreibt, damit die Schweiz im internationalen Vergleich ihre jetzige Spitzenstellung auch in Zukunft halten könne. Bei der Spitzenmedizin könne man nicht einfach ein Stück entfernen, ohne dass das Ganze ins Wanken gerate.

Liefern mit ihrem Buch einen wichtigen Beitrag zur Diskussion über die Spitzenmedizin: Editor Prof. Viktor E. Meyer (links) und Verleger Dr. med. Hans Rudolf Bosch.

Zusammenarbeit auf allen Ebenen

Gerade in dem von Meyer verfassten Kapitel über die «Wiederherstellungschirurgie» zeigt sich eindrücklich, wie viel unterschiedliches Spezialistenwissen zusammenkommen muss, bis beispielsweise eine abgetrennte Hand wieder angenäht werden kann. «Die ersten mikrochirurgischen Instrumente stammten aus der schweizerischen Uhrenindustrie», schreibt Meyer, «die ersten Mikronylonfäden aus der Damenstrumpffabrikation und der ultrafeine Stahldraht für die Nadeln aus den Labors der Flugzeugentwicklung.» Erst nachdem diese spezialisierte «Hardware» für die Spitzenmedizin nutzbar gemacht werden konnte, wurde beispielsweise die Mikro-Gefässchirurgie als Kernstück der Wiederherstellungschirurgie möglich und konnten schliesslich so winzige Dinge wie durchtrennte Arterien wieder zusammengenäht werden.

Das Thema Spitzenmedizin stösst auf breites Interesse.

Teamworkclusters führen zum Erfolg

Auch die eingangs erwähnte Herzchirurgie brauchte vielfältige Innovation, Grundlagenforschung und ausgeprägtes Teamwork, um den Spitzenstand zu erreichen, der heute selbstverständlich ist. Nicht nur in medizinferne, technische Weiterentwicklungen musste investiert werden (so wurden beispielsweise Treibstoffpumpen von NASA-Raketen für die Herzchirurgie in Linksherzunterstützungssysteme umgewandelt), auch zwischen den medizinischen Disziplinen selbst hatte eine verstärkte Kooperation zu funktionieren. Wird heute ein Kunstherz eingesetzt, sind nämlich mindestens 15 medizinische Spezialgebiete (von der Anästhesiologie über die Hämatologie bis zur Pharmakologie etc.) massgeblich involviert. Deren je neuste Erkenntnisse und Weiterentwicklungen fliessen nicht nur in die Spitzenmedizin, sondern auch in die Alltagsmedizin, weiss Mikrochirurg Meyer. Das habe schon für Wilhelm Conrad Röntgens spitzenmedizinische Leistung gegolten, die 1901 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde und heute zur täglichen Routine gehöre. Und es gelte ebenso für die 1977 weltweit erste Anwendung eines Ballonkatheters am Universitätsspital Zürich, die heute nichts Spektakuläres mehr sei. – Das Wissen und Können der Spitzenmedizin sickert nach und nach in die Tiefe des Eisbergs, sprich in den medizinischen Alltag.

Buchautor und Herausgeber Prof. Viktor E. Meyer beim Signieren (links), im Vordergrund der Präsident der Stiftung Careum Hans Gut.