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Bologna im Kreuzverhör

Führt Bologna zu einer Verschulung des Studiums und ungewissen Chancen auf dem Arbeitsmarkt? Oder wird es höhere Qualität und mehr Kooperation im Bildungswesen ermöglichen? Die Meinungen beim DRS 2-Podium an der Universität Zürich waren geteilt.
Adrian Ritter

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Was haben die deutsche Rechtschreibereform und die Bologna-Reform gemeinsam? Ziemlich viel, fand am Podiumsgespräch Rudolf Walser, der beim Wirtschaftsverband economiesuisse für Bildungsfragen zuständig ist: «Niemand wollte sie, niemand wurde gefragt, plötzlich waren sie einfach da.»

Bologna – Zauberwort oder Reizwort? Moderator Christoph B. Keller erhielt unterschiedliche Antworten vom Podium.

Dass die Bologna-Reform sich nicht aus den Hochschulen selber entwickelt habe, sondern diesen von aussen vorgegeben wurde, bemängelte auch Annemarie Pieper, emeritierte Professorin für Philosophie an der Universität Basel: «Man hat es versäumt, vorher zu untersuchen, wo die Fächer spezifischen Reformbedarf haben.»

Bologna sei Zauberwort für Modernisierung für die einen, Reizwort für Verschulung für die anderen, meinte denn auch DRS 2-Redaktor Christoph B. Keller als Moderator des Podiums am Donnerstagabend.

Die Wirtschaft habe sich mit der ungefragten Reform abgefunden, erklärte Walser: «Bologna ist auch eine Chance, das Hochschulwesen qualitativ zu verbessern. Die Schweiz kann es sich gar nicht leisten, Bologna nicht zu einem Erfolg werden zu lassen.»

Teilzeitstudien sind auch mit dem Bologna-System möglich, betonte Prof. Ulrich Klöti, Prorektor Lehre der Universität Zürich.

Positive Erfahrungen

Zufrieden mit den bisherigen Erfahrungen an der Universität Zürich zeigte sich Ulrich Klöti, der als Prorektor Lehre für die Umsetzung der Bologna-Reform an der Universität Zürich verantwortlich ist. Die bisher an zwei Fakultäten erfolgte Umstellung auf das neue System mit Bachelor und Masterabschlüssen sei reibungsloser erfolgt als anfänglich befürchtet.

Die Angst, das Bologna-System werde an den Universitäten zu einer Vereinheitlichung des Angebotes führen, sei unbegründet, führte Klöti weiter aus. Wer einen Blick in die verschiedenen Fakultäten werfe, werde trotz des gemeinsamen Nenners durch Bologna eine grosse Vielfalt entdecken.

Die «Orchideen» erhalten

Dazu gehöre auch ein breites thematisches Angebot, welches sich nicht auf Fächer von unmittelbarem Nutzen beschränke, meinte Klöti mit Bezug auf aktuelle politische Diskussionen. So zeige sich am Beispiel Sinologie und Islamwissenschaft, dass das Wissen auch kleinerer Fächer in der Gesellschaft plötzlich stark gefragt sein könne.

Auch ein Bachelor-Abschluss muss die Studierenden auf eine berufliche Tätigkeit vorbereiten, erklärte Rudolf Walser von economiesuisse.

Bezüglich dieser bisweilen auch als «Orchideenfächer» bezeichneten Studiengänge war man sich auf dem Podium denn auch einig: Diese sollen nicht abgeschafft werden, sinnvoll sei aber eine vermehrte Zusammenarbeit zwischen den Universitäten. Wenn Bologna dies fördere, so könne durchaus von einer «heilsamen Wirkung» gesprochen werden, so Klöti.

Was will der Markt?

Kontroverser waren die Ansichten bezüglich der Frage, ob die neuen Bachelor- und Masterabschlüsse auf dem Arbeitsmarkt überhaupt gefragt sein werden. Wichtig ist für Rudolf Walser, dass bereits der Bachelor-Abschluss die Studierenden auf eine berufliche Tätigkeit vorbereitet - wie dies auch an den Fachhochschulen vorgesehen sei. Welche Anforderungen die Wirtschaft an die Bachelor-Absolventen habe, könne aber noch nicht präzisiert werden, da schlicht die Erfahrung fehle.

Angesichts dieser Unsicherheit fragte sich Annemarie Pieper, ob die Hochschulen «Experimente auf dem Rücken der Studierenden» durchführen. Ulrich Klöti erwiderte, dass es nicht in erster Linie die Bologna-Reform mit ihren neuen Abschlüssen sein werde, die über den Erfolg auf dem Arbeitsmarkt entscheidet. Dieser hänge eher von der allgemeinen Situation auf dem Arbeitsmarkt ab, wo ohnehin ständige Weiterbildung nötig sei.

Master als Regelabschluss?

Als weitere Möglichkeit stehe den Bachelor-Absolventen zudem immer ein Masterstudium offen. Es hat gemäss Klöti zwar nicht der Haltung der Universität Zürich entsprochen, sei aber von der Schweizerischen Universitätskonferenz so beschlossen worden: Der Master soll an den Universitäten der Regelabschluss sein.

Carol Ribi, designierte Hochschulpolitische Beauftragte des Studierendenrates der Universität Zürich, sieht den Bachelor-Abschluss als «Mobilitätsscharnier».

Zufrieden mit diesem Entscheid zeigte sich Carol Ribi als desiginierte Hochschulpolitische Beauftragte des Studierendenrates der Universität Zürich. Der Bachelor sei deswegen keineswegs wertlos, sondern mache Sinn als «Mobilitätsscharnier», um den Master an einer anderen Hochschule absolvieren zu können.

Teilzeit bleibt möglich

Ansonsten ist Ribi allerdings wenig begeistert von der Bologna Reform. Seitens der Studierenden bestünden Ängste, dass diese zu einer Verschulung führe, welche mit einer hohen Präsenzzeit Werkstudierende benachteilige. Dem hielt Klöti entgegen, dass der Bachelor nicht zwingend in drei Jahren, sondern in maximal sechs Jahren zu erlangen sei, was ein Teilzeitstudium ermögliche.

Dass die Studierenden auch einen eigenen finanziellen Beitrag an ihre Ausbildung leisten sollen, steht für Rudolf Walser ausser Frage: «Die Ökonomen sind sich einig, dass die Tertiärbildung nicht als öffentliches, sondern als privates Gut zu betrachten ist.»

Die Philosophin Annemarie Pieper sprach sich gegen das reine Leistungsdenken an den Universitäten aus.

Dem widersprach Annemarie Pieper, die Bildung als öffentliches Gut betrachtet haben möchte. Es könne nicht sein, dass analog zum Wirtschaftsleben an den Hochschulen nur Rivalität und Wettbewerb gelehrt werde: «Wo sollen die jungen Menschen denn Solidarität lernen, wenn nicht hier?»