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Managerlöhne

Mehr Transparenz in den Teppichetagen

Künftig müssen die Bezüge von Verwaltungsräten und Managern offen gelegt werden. Das verlangt der Bericht einer Expertengruppe, zu der die Zürcher Rechtsprofessorin Claire Huguenin gehörte.
Thomas Gull

Das Verhalten der Manager genügt nicht immer den moralischen und ethischen Standards der Gesellschaft. Wandfries im Bezirksgericht Zürich.

In jüngster Zeit sorgten Meldungen - auch in renommierten Wirtschaftsblättern - für Unmut, die von überhöhten Bezügen einzelner Unternehmensleitungen berichteten. Nicht selten schlitterten dabei just diese Firmen in die Krise. Die Empörung schlug sich in der Schweiz nicht nur in geharnischten Kommentaren der Presse nieder, sie löste auch rund zwanzig parlamentarische Vorstösse aus. Darin wurde der Bundesrat aufgefordert, das Schweizerische Recht im Hinblick auf die «Corporate Gorvernance» - die Unternehmensführung - zu überprüfen und anzupassen.

Der Bundesrat setzte daraufhin 2002 eine Expertenkommission ein. Diese hatte den Auftrag, das Aktienrecht zu überprüfen und zu beurteilen, inwiefern dieses verbessert werden könnte. Zum dreiköpfigen Gremium gehörten neben dem emeritierten Basler Rechtsprofessor Peter Böckli, der die Kommission leitete, und dem Lausanner François Dessemontet die Zürcherin Claire Huguenin. Huguenin ist Professorin für Privat-, Wirtschafts- und Europarecht an der Universität Zürich und beschäftigte sich bereits in ihrer Habilitationsschrift in den 90er-Jahren mit dem Aktienrecht. Was die drei Rechtswissenschaftler beim näheren Hinsehen herausfanden, sei «aus heutiger Sicht erstaunlich», wie Hugenin ohne Umschweife feststellt: «Die bisherige Gesetzgebung trug den heute anerkannten Corporate-Governance-Grundsätzen zu wenig Rechnung.»

Dies, obwohl das hiesige Aktienrecht erst 1992 gründlich überarbeitet und scheinbar den modernen Erfordernissen angepasst worden war. «Da stellt sich die Frage, weshalb die Corporate Governance bei dieser Revision nicht berücksichtigt wurde.» Huguenin liefert dafür verschiedene Erklärungen. Die wichtigste Ursache ortet sie im damals fehlenden Problembewusstsein des Gesetzgebers: «Man hatte grosses Vertrauen in die Führungspersönlichkeiten der Unternehmen.» Die Rolle der Unternehmensleitung wurde deshalb nicht hinterfragt.

Zügelloser Egoismus

Das hat sich mit den Skandalen in den vergangenen Jahren gründlich geändert. Der zügellose Egoismus der Chefs auf Kosten der Unternehmen hat den Mangel an Regeln und Kontrollmechanismen offen gelegt. «Es scheint eine riesige Verführung zu sein, Interessen, die einem anvertraut wurden, für seine eigenen Zwecke zumissbrauchen», meint Huguenin. Sie verweist auch auf das internationale Umfeld, in dem die Managerlöhne in den 90er-Jahren ständig angehoben wurden. Die «economy of greed», Neid und Gier in der Wirtschaft, machte auch vor den international tätigen Schweizer Unternehmen nicht Halt. Es war für die Verantwortlichen dieser Firmen nachvollziehbarerweise nicht einzusehen, weshalb sie weniger verdienen sollten als ihre Kollegen in vergleichbaren Unternehmen in anderen Ländern. Zudem ist Huguenin überzeugt, dass es auch früher Missbräuche und Missstände gab. Diese seien jedoch weniger oft zum Vorschein gekommen, weil es an Transparenz mangelte.

Hier haben Huguenin und ihre Kollegen angesetzt. Zuerst wurde festgestellt, dass es dem aktuellen Aktienrecht an Corporate-Governance-Grundsätzen mangelt, dann haben die drei Juristen die Vorstösse der Parlamentarier analysiert und Hearings mit Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft durchgeführt. Das war der Beginn eines kreativen Prozesses mit dem Ziel, Vorschläge zu machen, um Gesetzeslücken zu schliessen. Wer dabei an langweilige Paragaphenreiterei denkt, irrt. Claire Huguenins Augen leuchten, wenn sie erzählt, wie sie mit ihren beiden Kollegen in rund zehn ganztägigen intensiven Workshops einen Expertenbericht schuf, der auch Vorschläge für eine Gesetzesänderung enthält: «Meist beschäftigen wir uns nur theoretisch mit Rechtsetzung. Plötzlich hatten wir Gelegenheit, selber Vorschläge für eine allfällige Gesetzesrevision zu machen.» Ein Prozess, der in nur gut einem Jahr abgeschlossen werden konnte: Wie vereinbart, hat die Kommission Ende September Bundesrätin Ruth Metzler den Schlussbericht zugestellt.

Unternehmensleitung im Visier

Doch wie soll das Aktienrecht den Erfordernissen der Zeit angepasst werden? Die Juristen hatten bei ihrer Arbeit neben einer Stärkung der Aktionärsrechte vor allem die Unternehmensleitung im Visier. Ihre Vorschläge basieren auf zwei Forderungen an die Adresse von wirtschaftlich bedeutenden Gesellschaften: klare Regelung der Zuständigkeiten und Transparenz. «Corporate Governance geht davon aus, dass die Unternehmensleitung meistens aus mehreren Personen besteht», erklärt Huguenin, «die Führungsaufgaben sind auf mehrere Mitglieder verteilt.» Deshalb muss künftig von den Unternehmen festgelegt werden, wer welche Rolle hat. Wie dies im Unternehmen geregelt wird, bleibt der Leitung überlassen. Entscheidend ist jedoch, dass es geregelt und dies transparent gemacht wird. «Das Gesetz schreibt vor, welche Aufgaben dem Leitungsgremium zufallen. Dieses ist berechtigt, die Arbeitsteilung autonom zu organisieren. Es gibt eine Gestaltungsfreiheit, gekoppelt mit Gestaltungspflicht», fasst Huguenin zusammen.

Was im so genannten Grundsatzbeschluss festgelegt werden muss, ist in fünf Punkten definiert: die Zusammensetzung des Verwaltungsrates, Transparenz und erleichterte Ausübung von Aktionärsrechten, Regelung von Interessenkonflikten (z.B. Ausstandspflicht) und Kontrollmechanismen, die dafür sorgen, dass die Regeln auch tatsächlich eingehalten werden, sowie besondere Aufgaben für Ausschüsse. Wenn klar ist, wer wofür verantwortlich ist, kann am Ende des Geschäftsjahres überprüft werden, ob die Pflichten erfüllt, die geforderten Leistungen erbracht wurden. Und wenn Fehler passieren, ist rekonstruierbar, wie es dazu kam und wer dafür verantwortlich ist.

Der Lohn der Verwaltungsräte

Der zweite zentrale Bereich der neuen gesetzlichen Bestimmungen betrifft die Offenlegung der Entschädigungen der Mitglieder des Verwaltungsrates und der Geschäftsleitung. Dabei müssen sämtliche Entschädigungen der Verwaltungsräte sowie die Gesamtsumme der Bezüge der Geschäftsleitung deklariert werden. Separat dazu müssen die Bezüge des bestverdienenden Geschäftsleitungsmitglieds ausgewiesen werden. Dazu gehört nicht nur das Gehalt, sondern auch alle weiteren Entschädigungen und Vergünstigungen, die das Unternehmen gewährt. Man habe viel Zeit darauf verwendet, einen umfassenden Katalog der Lohnbestandteile zusammenzustellen, die deklariert werden müssten, betont Huguenin. Denn wenn nur das Gehalt offen gelegt werden muss, ist der Anreiz gross, andere Formen von Vergünstigungen und Privilegien zu gewähren. Diese Anforderungen sind nicht völlig neu. Was die Offenlegung der Gehälter betrifft, hat die Schweizer Börse im Jahr 2002 für die kotierten Unternehmen Richtlinien aufgestellt, die in die gleiche Richtung zielen, aber weniger weit gehen.

Diese Selbstregulierung hat jedoch verschiedene Nachteile: Die Regeln können nur sehr bedingt kontrolliert und durchgesetzt werden, und sie gelten nur für die kotierten Unternehmen. Von den insgesamt rund 170 000 Aktiengesellschaften in der Schweiz sind jedoch nur 250 an der Börse kotiert. Selbst viele mittelgrosse und grosse Firmen unterliegen deshalb zurzeit keinen entsprechenden Regeln. Das müsse sich ändern, findet Huguenin. Die Experten schlagen deshalb vor, sämtliche Unternehmen ab einer bestimmten Grösse den oben beschriebenen Bestimmungen zu unterstellen. «Wir haben drei Kriterien aufgestellt: 30 Millionen Bilanzsumme, 60 Millionen Umsatz pro Jahr, 250 Vollzeitbeschäftigte. Wenn zwei dieser drei Kriterien erfüllt sind, würden die neuen Vorschriften gelten.» Davon wären die 600 grössten Unternehmen in der Schweiz betroffen.

Weniger Missbräuche

Was verspricht sich die Zürcher Rechtsprofessorin von den neuen Regeln? «Indem wir Transparenz und klare Regelungen der Aufgaben verlangen, schaffen wir neue Voraussetzungen. Wer im Hellen operieren muss, wird sich anders verhalten, alswer dies im Dunkeln tun kann.» Mit anderen Worten: Die gesetzlichen Bestimmungen verhindern nicht Missbräuche an sich. «Ich gehe jedoch davon aus, dass viele Fehlentwicklungen sehr viel früher spürbar werden», sagt Huguenin. Die Aktionäre sind besser darüber informiert, was in der Führung des Unternehmens läuft, und können eingreifen, wenn sie nicht einverstanden sind. «Dadurch sollte der Zweckentfremdung der Mittel zumindest bis zu einem gewissen Grad Einhalt geboten werden können», hofft Claire Huguenin.

Bis das Aktienrecht entsprechend ausgestaltet ist, müssen jedoch noch einige Hürden genommen werden. Die neuen Corporate-Governance-Regeln, die Claire Huguenin und ihre beiden Kollegen ausgearbeitet haben, müssen zuerst die Vernehmlassung und dann noch die Beratung durch das Parlament unbeschadet überstehen.

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