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«Alle zehn Jahre etwas Neues»

Nach acht reformorientierten Jahren scheidet der Zürcher Bildungsdirektor und Präsident des Universitätsrats Ernst Buschor aus dem Amt. In einem Interview mit unipublic zieht Buschor Bilanz und blickt in die Zukunft.
Roger Nickl

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Herr Buschor, nach acht Jahren Bildungsdirektion - mit welchen Gefühlen verlassen Sie Ihr Büro im Walcheturm?

Ernst Buschor: Auch mit guten Gefühlen. Ein grosser Teil der Bildungsreformen konnte realisiert werden - die Universitätsreform ist praktisch abgeschlossen, die Fachhochschulen sind geschaffen, die Gymnasialreform ist vollzogen und die Pädagogische Hochschule steht. Nicht zustande gekommen ist dagegen das Volksschulgesetz.

Die Ablehnung des Volksschulgesetzes durch das Stimmvolk letztes Jahr war der grösste Misserfolg Ihrer Amtszeit. Ziehen Sie unter dem Strich dennoch einepositive Bilanz?

Die Ablehnung des Volksschulgesetzes ist im formalen Sinn ein Misserfolg. Ich bin aber überzeugt, dass es der Sache nach in den nächsten fünf bis zehn Jahren realisiert wird. Das Tempo für die Reform war anscheinend zu gross - zu den darin formulierten Zielen gibt es aber keinen nenneswerten Alternativen.

Seit seiner Gründung 1998 sind Sie auch Präsident des strategisch orientierten Universitätsrates. Welche Erfahrungen haben Sie in diesem Gremium gemacht?

Der Universitätsrat ist eine gute Institution, die zu einer Entpolitisierung der Professorenwahl geführt hat. Er hat zur Innensicht, die die Universitätsleitung notwendigerweise hat, ein gutes Gegengewicht gegeben. Ich denke, dass der Rat der Universitätsleitung dennoch einen grossen Spielraum eingeräumt hat. Wir sind aber auch, etwa was die Strukturierung der Studiengänge der Philosophischen Fakultät anbelangt, hartnäckig gewesen.

Wir leben in einer Zeit des permanenten Lernens. Was haben Sie in Ihrer Zeit als Bildungsdirektor dazugelernt?

Ich habe sehr viel über Bildung gelernt. Ich musste mich ja zuerst in die Pädagogik einarbeiten. Ich habe aber auch erfahren, dass eine Verwaltungsreform ein komplexer menschlicher und sozialer Prozess ist. Dies habe ich wiederholt zu spüren gekriegt - vor allem bezüglich der Volksschulreform, weniger im Zusammenhang mit den Reformen an der Universität.

Welche Stellung und welche Aufgaben hat die Universität in der heutigen Zeit?

Die Universität ist sehr gefordert. Ich glaube, sie wird heute stärker als Teil der Gesellschaft empfunden. Sie hat in diesem Sinne eine zunehmende Informations- und Rechenschaftspflicht. Eine Universität muss heutzutage verstärkt ihre Leistungen und ihr Selbstverständnis kommunizieren. Sie muss Antworten geben können auf aktuelle Probleme wie SARS oder BSE, aber auch auf längerfristige Fragestellungen wie etwa die demografischen Trends oder die Migration. Und sie muss gut vernetzt sein, denn die grossen Fragen unserer Zeit können nicht mehr von einzelnen Disziplinen gelöst werden. Leider hat die interdisziplinäre Zusammenarbeit hier in Zürich noch nicht den Stand erreicht, den sie eigentlich haben sollte.

Einerseits ist die Universität gefordert, andererseits steht sie auch zunehmend unter Druck. Die Studierendenzahlen steigen, die finanziellen Mittel werden knapper und der Profilierungsdruck wächst. Wo sehen Sie da Lösungsansätze für die Zukunft?

Die Universitäten müssen in der Forschung stark bleiben, das ist absolut zentral. Mir macht es aber schon Sorgen, dass die Finanzlage eine Entwicklung einschlägt, die heikel ist. Dies wird insbesondere eine stärkere Konzentration von Spitzenleistungen verlangen. Es kann auch heissen, dass in Zürich die Idee einer breiten Volluniversität nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Die Universität muss sich mittelfristig ein klareres Profil mit einer stärkeren Fokussierung auf bestimmte Kompetenzen geben und das Angebot mit anderen Hochschulen koordinieren. So könnte man sich beispielsweise vorstellen, dass die Finanzmarktökonomie in Zürich konzentriert wird, während etwa Tourismus und öffentliche Verwaltung an einer anderen Universität schwerpunktmässig angeboten wird.

Was die Studierenendenzahlen anbelangt: Meiner Meinung nach sollte der Numerus Clausus nur im äussersten Notfall angewendet werden. In der Medizin ist dies der Fall. Wenn sich die Finanzlage weiter verschärft, wird man aber über eine Ausdehnung des Numerus Clausus diskutieren müssen.

Sie haben kürzlich bemerkt, in der Schweiz würden zu wenig Akademikerinnen und Akademiker ausgebildet. Die Hochschulen können aber bereits heute nicht mehr mit der wachsenden Zahl von Studierwilligen zurecht. Wie geht das zusammen?

Das ist auf den ersten Blick ein Widerspruch. Wichtig ist es, gute Formen der Didaktik - etwa internetbasierte Lernformen - zu entwickeln. Ich glaube zudem, dass das Schaffen des Bachelor-Abschlusses eine Chance ist. Er erlaubt es Leuten, ein wissenschaftliches Grundwissen und in kürzerer Zeit einen akademischen Abschluss zu erwerben. Es geht mir dabei nicht ums Sparen, sondern ich glaube ein solcher Abschluss wird auch den Bedürfnissen vieler Jugendlicher gerecht. Es ist aber tatsächlich so, dass die Schweiz bei weitem nicht zu viele Akademikerinnen und Akademiker hat.

In der Lehre verändert die Anpassung an die Bologna-Deklaration das Gesicht der Universität. Damit verbunden ist eine gewisse Verschulungstendenz. Ist das Humboldtsche Bild der Universität heute nicht mehr haltbar?

Der Humboldtsche Gedanken wird verschieden interpretiert. Wenn man ihn als Selbstverwirklichung des Gelehrten und die Universität als Ort der persönlichen Bereicherung fasst, dann ist er heute nicht mehr ganz zeitgemäss. Heute soll das Studium die Absolventen auch dazu verpflichten, für die Gesellschaft Leistungen zu erbringen. Neben dem Selbstverwirklichungsgedanken hat die Verantwortung der Akademikerinnen und Akademiker in einer sich rasch wandelnden Welt zugenommen. Was die Verschulung betrifft: Die ETH, aber auch die Ökonomen und Mediziner an der Universität Zürich sind schon lange «verschult». Ich selbst habe auch so studiert - mich hat das nie gestört. Ich glaube in dieser Frage müssen sich vor allem die Geisteswissenschaftler einen Schubs geben.

Was hat Sie eigentlich dazu bewegt, nicht mehr für den Regierungsrat zu kandidieren?

Meine Devise heisst: «Alle zehn Jahre etwas Neues.» Das habe ich bisher so gehalten. Ich habe immer gesagt, ich möchte Mobilität nicht nur predigen, sondern auch vorleben. Im Übrigen werde ich dieses Jahr sechzig - da ist zum letzten Mal ein Neuanfang im grösseren Stil möglich.

Was planen Sie für die Zukunft?

Ich werde mich vermehrt in nationalen und internationalen Stiftungen engagieren. Ich bin überzeugt, dass Stiftungen in einem Land, in dem selbst für Wissenschaft und Forschung das Geld immer knapper wird, eine zunehmende Bedeutung zukommt. Ich möchte dafür sorgen, dass die Gelder in einem guten Sinn und professionell verteilt werden.

Welche Rolle wird dabei die Politik spielen?

Politik hat das Problem, dass die Tendenz zur Besitzstandswahrung in verschiedenen staatlichen Bereichen zunimmt. Das Durchbrechen solcher Besitzstandwahrungen bei schwachen oder sehr polarisierten Regierungen, wie wir sie haben, wird immer schwieriger. In der Stiftungsarbeit sehe ich wesentliche Möglichkeiten, gewissermassen als Katalysator solche politische Grenzen zu überwinden helfen.

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