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MS-Forschung in Zürich

Bisher war Basel der wichtigste Ort für die Erforschung von Multipler Sklerose (MS) in der Schweiz. Nun will sich auch die Universität Zürich auf diesem Gebiet einen Namen machen. Mit Hilfe von Drittmitteln wurde ein MS-Forschungszentrum eingerichtet. Neben der klinischen und der Grundlagenforschung wird auch eine MS-Sprechstunde angeboten.
Isabel Morf

Myelin (blau) isoliert die Neuronen im menschlichen Gehirn. Bei MS wird diese Schicht angegriffen und zerstört (weiss, Sternchen). Längsschnitt

In der Schweiz leiden an die 10'000 Menschen an Multipler Sklerose. MS ist eine Entzündung des Nervensystems, die sehr unterschiedliche gesundheitliche Schädigungen auslösen kann, von Gleichgewichts- und Sehstörungen bis zu Lähmungen. Die Krankheit trifft meist Menschen im Alter zwischen 25 und 40, mehr Frauen als Männer. Geheilt werden kann sie bis jetzt nicht. Mit Medikamenten lassen sich ihre Symptome mildern, und ihr Verlauf kann verlangsamt werden. Über die Ursachen von MS ist noch sehr wenig bekannt.

Bisher wurde in der Schweiz vor allem an der Universität Basel über MS geforscht. Nun zieht Zürich nach: Am Universitätsspital entsteht ein Forschungszentrum für Multiple Sklerose. Eingebettet ist es ins Zentrum für Neurowissenschaften Zürich (ZNZ), das Universität und ETH gemeinsam betreiben, und in die Neurologische Klinik.

Das MS-Forschungszentrum umfasst zwei Forschungsgruppen mit je einer Professur und einigen wissenschaftlichen Mitarbeitenden: Die Grundlagenforschung untersteht dem Neuroimmunologen Burkhard Becher. Sein Hauptinteresse gilt den Mechanismen der Interaktion zwischen dem Gehirn und dem Immunsystem und der Frage, ob Störungen in dieser Kommunikation eine Ursache für MS sein könnten. Die klinisch orientierte Forschung wird von Norbert Goebels geleitet. Der Mediziner forscht an molekularbiologischen Verfahren, mit denen sich die krank machenden Immunzellen identifizieren und im Blut verfolgen lassen. Er wird auch eine Sprechstunde für MS-Patienten einrichten und an der Optimierung der jeweils besten Therapie für die einzelnen Patienten arbeiten. Beide Forscher haben international einen Namen im Bereich Neuroimmunologie.

Zürich ergänzt Basel

«Die klinische Forschung und die Grundlagenforschung sollen eng zusammenarbeiten», sagt Wolfgang Knecht, Geschäftsleiter des ZNZ. «Eine gegenseitige Befruchtung und die Förderung von Synergien sind die besten Voraussetzungen, um Erfolge zu erzielen.» Burkhard Becher verweist darauf, dass es durch das Zusammenbringen von klinischer Forschung und Grundlagenforschung und gemeinsame klinisch orientierte Studien erstmals möglich ist, wirklich gezielte Therapien zu entwickeln.

Warum dieses Zentrum? «Im Nationalen Forschungsschwerpunkt ‹Neuronale Plastizität und Reparatur des Nervensystems›, dessen Zentrum Zürichist, möchten wir an der Forschung und Therapieentwicklung der wichtigsten Krankheiten des Nervensystems mitarbeiten, und dazu gehört auch MS», erklärt Wolfgang Knecht. Die Forschungen an der Universität Basel werden von Zürich nicht konkurrenziert, da Basel andere Forschungsschwerpunkte setzt. Knecht sieht das Zentrum in Zürich als Ergänzung zu Basel.

Finanziert wird das neue Forschungszentrum von der weltweit tätigen Biotechnologiefirma Serono mit Sitz in Genf. Die Initiative für diese Zusammenarbeit ging vom ZNZ aus. Das Hauptgebiet von Serono ist die Behandlung von Unfruchtbarkeit, aber die Firma gehört auch in Bereichen wie Neurologie und Wachstum zu den international führenden Unternehmen. Serono wird in den nächsten sechs Jahren insgesamt 8,4 Millionen Franken in das neue Zentrum stecken - eine sehr grosszügige Lösung, wie Wolfgang Knecht betont. Ein Teil dieser Mittel ist zudem nicht an die MS-Forschung gebunden, sondern wird vom ZNZ für die Finanzierung von Dissertationen verwendet werden.

Keine Beeinflussung

Es wird angesichts der angespannten Situation im Bundeshaushalt für die Wissenschaft zunehmend wichtig, neben staatlichen finanziellen Mitteln auch Drittmittel aus der Industrie zu bekommen. Eine Zusammenarbeit mit der Industrie kann Synergien erzeugen. Nur kann eine solche Verflechtung auch die Gefahr in sich bergen, dass die Forschungsfreiheit eingeschränkt wird. Aber dagegen, versichert Wolfgang Knecht, habe die Universität vorgesorgt. «Es ist vertraglich festgehalten, dass Serono keinen Einfluss auf die Forschungsaktivitäten der beiden Gruppen nehmen kann. Das Unternehmen hatte auch keine Mitsprache bei der Berufung der beiden Professoren. Norbert Goebels ist beispielsweise keineswegs dazu verpflichtet, seinen Patienten in der MS-SprechstundeMedikamente von Serono zu verschreiben.»

Vorkaufsrecht für Patente

Die Gegenleistung des MS-Forschungszentrums an Serono besteht darin, dass für Forschungsergebnisse der beiden Forschungsgruppen, die von der Universität Zürich patentiert werden, zuerst Serono die Lizenz für die Kommerzialisierung zum Kauf angeboten werden muss. Falls die Forschungen in Zürich einneues Medikament ermöglichen, wird es also vermutlich ein Serono-Produkt sein. Wie es nach Ablauf der sechs Jahre weitergehen wird, ist noch offen. Aber Wolfgang Knecht ist zuversichtlich, dass eine Möglichkeit gefunden werden kann, um die Forschungen weiter zu finanzieren.

IMyelin (blau) isoliert die Neuronen im menschlichen Gehirn. Bei MS wird diese Schicht angegriffen und zerstört (weiss, Sternchen). (Bild: Längsschnitt, zVg)